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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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lächelte sie zuckersüß an, eben so süß, dass es nur mit Karies befallenen Zähnen enden konnte.
    »Wieso sollte ich?«
    »Na ja, eigentlich ist das nicht für mich, sondern für J onas. Das hier ist ultra-wichtig, aber er braucht mich auch im Büro. Weißt du, er hat einen wichtigen Abgabetermin, bei dem ich ihm helfen soll. Und du hast ja mittlerweile Erfahrung mit … kopieren, bei dir geht das bestimmt viel schneller.«
    Vanessa sah sich den Stapel in Friederikes Armen an. Diesen zwanzig Mal zu kopieren und dann zu binden würde minde stens zwei Stunden dauern! Vermutlich sogar länger.
    »Du bist auch bloß Praktikantin, Friederike. Mach‘s doch selber …!« Vanessa wollte sich wieder ihrer eigentlichen A rbeit zuwenden, doch etwas hielt sie davon ab. Es war Friederikes Gesichtsausdruck. Dem süßen Lächeln war eine verletzliche, enttäuschte Miene gewichen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, als suchten sie den Mittelpunkt der Erde.
    »Wie uncharmant von dir, Vanessa! Und dabei habe ich dir sogar ein Kompl iment gemacht!«
    Doch Vanessa würde sich von ihr nicht um den Finger w ickeln lassen. Langsam schüttelte sie den Kopf und suchte vergeblich in ihrem Inneren nach der Selbstsicherheit, die sie gerne ausstrahlen würde. »Deine Masche kannst du dir bei mir sparen.«
    »Was meinst du?«
    »Deine ‚ich-bin-ein-kleines-Mädchen-und-brauche-Hilfe‘ Masche. Ich weiß, wie jemand wie du wirklich tickt.«
    Wieder lächelte Friederike, doch diesmal war nichts Süßes daran. »Wie ticke ich denn?«
    Irgendetwas an Friederike ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. Und doch würde es Vanessa nicht daran hindern, auszusprechen, was sie wirklich über sie dachte. Und was hatte sie schon zu verlieren?
    »Du würdest ohne mit der Wimper zu zucken mit jedem hier ficken, wenn es dir helfen würde.« Vanessa hatte ihre Arbeit wieder aufgenommen und Friederike nicht angesehen, was ihren Worten einen beiläufigen Touch verlieh. Dabei waren sie alles andere als unüberlegt. Diesen Gedanken hegte V anessa bereits seit dem ersten Tag, als sie Friederike und Marcel Schmitz beobachtet hatte.
    Doch der erwartete Wutanfall von Friederike blieb aus.
    »Und was ist mit dir? Würdest du mit jedem hier ficken, um nicht mehr das Kopiermädchen zu sein?«, fragte Friederike so sachlich, als würden sie ein Vorstellungsgespräch führen.
    Vanessa lachte müde. Die bloße Vorstellung war grotesk und lächerlich zugleich. »Was glaubst du?«, fragte Vanessa, als bedürfe dies keiner weiteren Erklärung.
    Doch Friederike lachte nicht. Sie lächelte nicht einmal. Sie trat einen eindringlichen Schritt auf sie zu und sagte mit einem Funkeln in den Augen, der nichts Gutes erahnen ließ: »Ich glaube, das würdest du.«
    Vanessa spürte den Impuls, vor der anderen Frau zurückz uweichen. Dennoch hielt sie der unangenehmen Nähe und ihrem Blick stand.
    »Und ich glaube, deine Eltern haben bei deiner Erziehung ganz schön ins Klo gegriffen. Dein Vater hätte dir häufiger mal eine Tracht Prügel verpassen sollen.«
    Friederike grinste nun beinahe amüsiert. »Findest du?«
    »Irgendwie schon.« Die wahre Bedeutung dahinter würde Friederike ohnehin nie verstehen.
    »Wenn das so ist, werde ich ihm das bei Gelegenheit sagen, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Tu das.«
    Plötzlich wurde die Tür zum Druckerraum aufgerissen. Vanessa fuhr erschrocken zusammen, während Friederike vollkommen ungerührt blieb. Jonas Hoffmann mit den großen blauen Augen kam ungeduldigen Schrittes herein und widmete sofort seine ganze Aufmerksamkeit Friederike. Als wäre Vanessa gar nicht anwesend. »Frieda, wo bleiben die Kopien? Ich brauche übrigens doch fünfundzwanzig Exemplare.«
    Frieda? Sie waren also schon bei Kosenamen angelangt, während Vanessa bei der Großzahl der Belegschaft nur als ‚das Kopiermädchen‘ bekannt war – wenn überhaupt. Doch sie versuchte, ihre Unzufriedenheit darüber abzuschütteln. Was kümmerte es sie? Immerhin hatte sie nicht die Absicht, den Laden bald zu übernehmen. Gleichzeitig konnte sie aber nicht leugnen, dass es sie massiv nervte, in den großen blauen Augen schlechter auszusehen als Frieda . Unterwürfig senkte Vanessa den Blick.
    »Vanessa hier hat angeboten, dass für mich zu übernehmen. Ist das nicht nett von ihr? Hast du gehört, Vanessa? Doch li eber fünfundzwanzig Mal kopieren.«
    Jetzt sah Vanessa auf. Gerade in diesem Augenblick drückte Friederike ihr den Papierstapel in die Hand und l ächelte sie
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