Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
gewissen Sache erkannt.«
    Vorkosigan wandte den Kopf ab und blickte in unbestimmte Fernen. »Es ist nicht das Verlangen nach einem angenehmen Leben, worüber ich jetzt spreche. Es ist Angst. Einfache, erbärmliche, schreckliche Angst.« Er lächelte sie wehmütig an. »Weißt du, ich hielt mich mal für einen ziemlichen Draufgänger, bis ich dich traf und wieder entdeckte, was Bammel haben heißt. Ich hatte vergessen, was es heißt, sein Herz in der Zukunft zu haben.«
    »Ja, ich auch.«
    »Ich muss das Angebot nicht annehmen. Ich kann es abweisen.«
    »Kannst du?« Ihre Blicke begegneten sich.
    »Das ist nicht das Leben, das du erwartet hast, als du von Kolonie Beta weggegangen bist.«
    »Ich bin nicht wegen irgendeiner bestimmten Art Leben gekommen. Ich bin wegen dir gekommen. Willst du diese Aufgabe?«
    Er lachte unsicher. »Gott, was für eine Frage. Es ist die Chance eines Lebens. Ja. Ich will sie. Aber sie ist Gift, Cordelia. Macht ist eine schlimme Droge. Schau, was sie mit ihm angerichtet hat. Er war einmal auch normal und glücklich. Ich glaube, ich könnte fast jedes andere Angebot ablehnen, ohne mit der Wimper zu zucken.«
    Vortala stützte sich demonstrativ auf seinen Stock und rief durch den Raum: »Entscheide dich, Aral. Meine Beine fangen an, mir weh zu tun. Wenn nur dein wählerisches Wesen nicht wäre – das ist eine Aufgabe, um derentwillen eine Menge Männer, die ich kenne, einen Mord begehen würden. Und dir wird sie offen und ohne Gegenleistung angeboten.«
    Nur Cordelia und der Kaiser wussten, warum Vorkosigan auf diese Worte hin ein kurzes Lachen ausstieß. Er seufzte, blickte seinen Herrn an und nickte.
    »Also gut, Gebieter. Ich habe mir gedacht, dass Sie einen Weg finden würden, auch noch aus dem Grab zu regieren.«
    »Ja. Ich habe vor, Sie immer wieder heimzusuchen.« Es herrschte eine Weile Schweigen, während der Kaiser seinen Sieg verdaute. »Sie werden sofort beginnen müssen, Ihren persönlichen Stab zusammenzustellen. Ich vermache Oberst Negri an meinen Enkel und die Prinzessin, zu deren Sicherheit. Aber ich dachte, vielleicht würden Sie Oberstleutnant Illyan für sich selbst haben wollen.«
    »Ja. Ich denke, er und ich könnten sehr gut miteinander auskommen.« Ein angenehmer Gedanke schien ein Licht in Vorkosigans düsterem Gesicht zu entzünden. »Und ich kenne den Mann, der genau für den Posten des persönlichen Sekretärs geeignet ist. Er wird dafür eine Beförderung brauchen – einen Leutnantsrang.«
    »Vortala wird sich für Sie darum kümmern.« Der Kaiser legte sich erschöpft zurück und räusperte sich erneut, mit bleigrauen Lippen, um seine Kehle vom Schleim zu befreien. »Kümmern Sie sich um alles. Ich glaube, Sie sollten besser den Doktor wieder herholen.« Mit einem müden Zucken seiner Hand scheuchte er sie hinaus.
    Vorkosigan und Cordelia traten aus der Kaiserlichen Residenz hinaus in die warme Luft des späten Sommerabends, die mild und vom nahen Fluss feucht war. Ihnen folgten ihre neuen Leibwachen, tipptopp in den vertrauten schwarzen Uniformen. Es hatte eine längere Konferenz mit Vortala, Negri und Illyan gegeben. Cordelia brummte der Kopf von der Anzahl und den Details der besprochenen Themen. Vorkosigan schien ohne Schwierigkeiten mithalten zu können, wie sie neidvoll festgestellt hatte; tatsächlich war er es gewesen, der das Tempo bestimmte.
    Sein Gesicht erschien konzentriert und energischer als je zuvor, seit sie nach Barrayar gekommen war, erfüllt mit einer ungeduldigen Spannung.
    Er ist wieder lebendig, dachte sie. Blickt hinaus, nicht nach innen; nach vorn, nicht zurück. Wie damals, als ich ihm zum ersten Mal begegnete. Ich bin froh. Was immer auch das Risiko sein mag.
    Vorkosigan schnalzte mit den Fingern und sagte laut: »Die Abzeichen!« Und nach diesen rätselhaften Worten: »Erster Halt Palais Vorkosigan.«
    Sie waren bei ihrer letzten Reise nach Vorbarr Sultana an der offiziellen Residenz des Grafen vorbeigefahren, aber jetzt war Cordelia zum ersten Mal in diesem Gebäude. Vorkosigan nahm auf der breiten, geschwungenen Treppe zwei Stufen auf einmal und strebte seinem eigenen Zimmer zu. Es war ein großer Raum, einfach möbliert, mit einem Blick auf den Garten. Wie in Cordelias eigenem Zimmer im Appartement ihrer Mutter herrschte hier eine Atmosphäre, die von häufiger und ausgedehnter Abwesenheit des Bewohners kündete, mit archäologischen Schichten vergangener Passionen, die in Schubladen und Wandschränke gestopft waren.
    Es war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher