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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Kreis von Zelten gebildet hatten. Eine schwelende Narbe war dort in die Gräser gebrannt, wo das Shuttle geparkt gewesen war, an der Schlucht gegenüber dem Lager. Zertrümmerte Geräte lagen überall umher. Ihre bakteriologisch abgeschlossenen sanitären Einrichtungen waren direkt unten am Hang gewesen: sogar die Toilette hatte man in Brand gesteckt.
    »Mein Gott«, flüsterte Fähnrich Dubauer und ging los wie ein Schlafwandler. Cordelia packte ihn am Kragen.
    »Duck dich und gib mir Deckung«, befahl sie und ging vorsichtig auf die stummen Trümmer zu.
    Im ganzen Lager war das Gras niedergetrampelt und plattgewalzt. Verwirrt suchte sie nach einer Erklärung für die Verwüstung. Bisher unentdeckte Ureinwohner? Nein, nichts außer einem Plasmabogen konnte den Stoff ihrer Zelte geschmolzen haben. Die technisch fortgeschrittenen Außerirdischen, nach denen man so lange Ausschau gehalten hatte, die jedoch bisher noch nicht entdeckt worden waren? Vielleicht der unerwartete Ausbruch einer Krankheit, dem ihre monatelange mikrobiologische Untersuchung durch Roboter und ihre Immunisierungen nicht vorgebeugt hatten – handelte es sich um einen Versuch der Sterilisierung? Ein Angriff durch die Regierung eines anderen Planeten? Ihre Angreifer konnten kaum durch denselben Wurmlochausgang gekommen sein, den sie entdeckt hatten, jedoch hatte ihre Expedition erst etwa zehn Prozent des Raumes im Bereich eines Lichtmonats um dieses System kartographisch erfasst.
    Außerirdische?
    Sie war sich kläglich bewusst, dass ihr Denken im Kreis lief, wie eines der Tiere, die der Zoologe ihres Teams gefangen hatte und die hektisch in einem Laufrad herumrannten. Mit grimmigem Gesicht durchstocherte sie die Trümmer nach einem Hinweis.
    Sie fand ihn in dem hohen Gras auf halbem Weg zur Schlucht. Der lange Körper in der ausgebeulten gelbbraunen Arbeitsuniform des Betanischen Astronomischen Erkundungsdienstes lag in voller Länge ausgestreckt da, Arme und Beine abgewinkelt, als wäre er getroffen worden, als er schutzsuchend auf den Wald zulief. Im Schmerz des Erkennens hielt sie den Atem an und drehte ihn sanft herum.
    Es war der gewissenhafte Leutnant Rosemont. Seine Augen waren glasig und starr und wirkten irgendwie geängstigt, als spiegelte sich in ihnen immer noch sein Geist. Cordelia drückte sie ihm zu.
    Sie untersuchte ihn nach der Ursache seines Todes. Kein Blut, keine Verbrennungen, keine Knochenbrüche – ihre langen weißen Finger erforschten seine Kopfhaut. Die Haut unter seinem blonden Haar war mit Blasen bedeckt: das war die verräterische Signatur eines Nervendisruptors.
    Damit waren die Außerirdischen aus dem Spiel. Sie wiegte einen Augenblick lang seinen Kopf in ihrem Schoß und streichelte seine vertrauten Züge, hilflos wie eine Blinde. Für Trauer war jetzt keine Zeit.
    Sie kehrte auf Händen und Füßen in den geschwärzten Ring zurück und begann das Durcheinander nach Kommunikationsgeräten zu durchsuchen.
    Die Angreifer waren in dieser Beziehung sehr gründlich gewesen, wie die verdrehten Klumpen aus Plastik und Metall zeigten, die sie fand. Viele wertvolle Geräte schienen überhaupt zu fehlen.
    Im Gras raschelte es. Sie riss ihren Betäuber hoch und erstarrte. Das verkrampfte Gesicht von Fähnrich Dubauer schob sich durch die strohfarbenen Büschel. »Nicht schießen, ich bin’s«, rief er in einem gewürgten Ton, der ein Flüstern sein sollte.
    »Beinahe hätte ich geschossen. Warum bist du nicht in Deckung geblieben?«, zischte sie zurück. »Na ja, schon gut, hilf mir nach einer Kommunikationseinheit suchen, mit der ich das Schiff erreichen kann. Und bleib unten, sie könnten jeden Augenblick zurückkommen.«
    »Wer könnte? Wer hat das getan?«
    »Da gibt es mehrere Möglichkeiten, such dir eine aus: Leute von Nuovo Brasil, Barrayaraner, Cetagandaner, sie alle könnten es gewesen sein. Reg Rosemont ist tot. Nervendisruptor.«
    Cordelia kroch zu dem Haufen, der einmal das Zelt für ihre Proben gewesen war, und beäugte die einzelnen Klumpen sorgfältig. »Gib mir die Stange dort drüben herüber«, flüsterte sie.
    Sie stocherte versuchsweise an dem Klumpen herum, der am meisten versprach. Die Zelte hatten aufgehört zu rauchen, aber Wellen von Hitze stiegen immer noch von ihnen auf und trafen auf Cordelias Gesicht wie die Strahlen ihrer heimatlichen Sommersonne. Der zerstörte Stoff blätterte ab wie verkohltes Papier. Sie hakte die Stange an einem halbgeschmolzenen Laborschränkchen fest und zog es heraus.
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