Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
Politische Bildung.«
    Das war, erinnerte sich Cordelia, der offizielle Euphemismus für die berüchtigte Geheimpolizei, deren militärischer Zweig die Politischen Offiziere waren. »Und Sie fürchten es nicht?«
    »Die fürchten mich.« Er lächelte säuerlich. »Wie diese Aasfresser letzte Nacht rennen sie vor einem mutigen Angriff davon. Aber man darf ihnen nicht den Rücken zukehren.«
    »Ich bin überrascht, dass man Sie nicht aufhängen ließ.«
    »Es gab einen großen Aufruhr, hinter verschlossenen Türen«, gab er in der Erinnerung daran zu und fingerte an seinen Kragenabzeichen herum. »Aber einen Vorkosigan kann man nicht einfach in der Nacht verschwinden lassen, noch nicht. Ich habe mir allerdings ein paar mächtige Feinde gemacht.«
    »Darauf würde ich wetten.« Diese nüchterne Geschichte, ohne Ausschmückung oder Entschuldigung erzählt, klang ihrem Empfinden nach wahr, obwohl sie keinen logischen Grund hatte, ihm zu trauen.
    »Haben Sie … hm … gestern einem dieser Feinde den Rücken zugekehrt?«
    Er blickte sie scharf an. »Möglicherweise«, sagte er langsam. »Mit dieser Theorie gibt es allerdings ein paar Probleme.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Ich lebe noch. Ich hätte nicht gedacht, dass sie es riskieren würden, diese Sache anzufangen, ohne sie zu Ende zu führen. Sicherlich hätte diese Gelegenheit sie in Versuchung geführt, meinen Tod euch Betanern in die Schuhe zu schieben.«
    »Puh! Und ich dachte, ich hätte Kommandoprobleme dabei, bloß einen Haufen betanischer intellektueller Primadonnen zu monatelanger Zusammenarbeit anzuhalten. Gott bewahre mich vor der Politik.«
    Vorkosigan lächelte leicht. »Nach dem zu schließen, was ich über die Betaner gehört habe, ist das auch keine einfache Aufgabe. Ich glaube nicht, dass ich mit Ihnen tauschen möchte. Es würde mich irritieren, wenn über jeden Befehl gestritten würde.«
    »Sie streiten nicht über jeden Befehl.« Sie grinste, denn sein Seitenhieb hatte ein paar eigenartige Erinnerungen wachgerufen. »Man lernt, wie man sie zum Mitmachen überredet.«
    »Wo ist Ihr Schiff jetzt, Ihrer Meinung nach?«
    Mit einem Schlag verwandelte sich ihr Amüsement in Wachsamkeit. »Ich glaube, das hängt davon ab, wo Ihr Schiff jetzt ist.«
    Vorkosigan zuckte die Achseln, stand auf und befestigte seinen Rucksack sicherer an seinen Schultern. »Dann sollten wir vielleicht keine Zeit mehr mit dem Versuch verschwenden, es herauszufinden.« Er reichte ihr die Hand, um sie hochzuziehen, und die soldatische Maske erschien wieder auf seinem Gesicht.
    Sie brauchten den ganzen langen Tag, um von dem großen Berg zur Ebene abzusteigen. Aus der Nähe sahen sie jetzt, dass der rötliche Boden von Wasserläufen durchschnitten und durchfurcht war, die von den Regengüssen der letzten Tage schlammig aufgewühlt dahinströmten, und dass das Flachland mit nackten Felsbuckeln übersät war. Sie erspähten auch Gruppen sechsbeiniger Grasfresser. Aus dem wachsamen Verhalten der Herden schloss Cordelia, dass in der Nähe Raubtiere lauerten.
    Vorkosigan wäre eilends weitermarschiert, aber Dubauer wurde von einem gefährlichen und lang anhaltenden Krampf geschüttelt, auf den Lethargie und Schläfrigkeit folgten. Cordelia bestand unnachgiebig auf einer Rast für die Nacht. Sie lagerten sich in einer offenen Lichtung zwischen den Bäumen, vielleicht dreihundert Meter über der Ebene, und teilten sich ihr einfaches Abendessen aus Hafergrütze und Blaukäsedressing. Die Erschöpfung machte sie schweigsam. Vorkosigan knackte ein weiteres Kaltlicht, als die letzten Farben eines grellen Sonnenuntergangs am Himmel verblassten, und setzte sich auf einen großen flachen Felsblock. Cordelia legte sich nieder und beobachtete den Barrayaraner, wie er Wache hielt, bis der Schlaf sie von den Schmerzen in ihren Beinen und ihrem Kopf befreite.
    Er weckte sie nach Mitternacht. Ihre Muskeln schienen vor angesammelter Milchsäure zu quietschen und zu knarren, als sie sich steif hochrappelte, um ihre Wache zu übernehmen. Diesmal gab Vorkosigan ihr den Betäuber.
    »Ich habe nichts in der Nähe gesehen«, bemerkte er, »aber irgend etwas da draußen macht von Zeit zu Zeit einen Höllenlärm.« Dies schien ihm eine angemessene Erklärung für diese Geste des Vertrauens.
    Sie sah nach Dubauer, dann nahm sie ihren Platz auf dem Felsblock ein, lehnte sich zurück und blickte zu der dunklen Masse des Berges empor.
    Dort oben lag Rosemont in seinem tiefen Grab, sicher vor den Schnäbeln und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher