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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre
Autoren: Lois McMaster Bujold
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den Rücken nieder. Die Sterne schimmerten schwach durch den aufkommenden Nebel. Konnte einer davon noch ihr Schiff sein, oder das von Vorkosigan? Wahrscheinlich nicht, bei der Entfernung, in der sie jetzt zweifellos schon waren.
    Sie fühlte sich leer. Energie, Wille, Verlangen rannen durch ihre Finger wie eine glänzende Flüssigkeit, aufgesogen von einem unendlichen Sand.
    Sie blickte auf Dubauer neben sich und riss ihre Gedanken aus dem bequemen Wirbel der Verzweiflung. Ich bin immer noch eine Kommandantin, sagte sie sich scharf, ich habe ein Kommando. Du dienst mir noch, Fähnrich, auch wenn du dir nicht selbst dienen kannst …
    Der Gedanke schien der Faden zu irgendeiner großen Einsicht zu sein, aber er zerrann, als sie ihn festhalten wollte, und sie schlief ein.

 
Kapitel 2
     
    Sie verteilten die mageren Überreste aus dem Lager auf behelfsmäßige Rucksäcke und begannen im grauen Morgennebel den Berg hinab zu gehen. Cordelia führte Dubauer an der Hand und half ihm, wenn er stolperte. Sie war sich nicht sicher, wie klar er sie erkannte, aber er hielt sich an sie und ging Vorkosigan aus dem Weg.
    Der Wald wurde dichter, und die Bäume wurden höher, als sie hinabstiegen. Eine Zeitlang bahnte Vorkosigan mit seinem Messer einen Weg durch das Gestrüpp, dann hielten sie sich an das Flussbett. Flecken von Sonnenlicht begannen durch den Baldachin des Waldes zu dringen und hoben leuchtend grüne, samtige Moosbrocken hervor, funkelnde Rinnsale und Steine, die wie eine Schicht bronzener Münzen auf dem Flussbett lagen.
    Radiale Symmetrie war weit verbreitet unter den winzigen Kreaturen, welche diejenigen ökologischen Nischen besetzt hielten, die auf der Erde die Insekten ausfüllten. Einige in der Luft lebende Arten, die gasgefüllten Quallen glichen, schwebten in schillernden Wolken über dem Fluss wie Scharen von zarten Seifenblasen und erfreuten Cordelias Augen. Auch auf Vorkosigan schienen sie eine besänftigende Wirkung zu haben, denn er schlug eine Rast vor.
    Sie tranken aus dem Fluss und blieben eine Weile sitzen; dabei beobachteten sie die kleinen Radiallebewesen, wie sie in den Sprühnebel eines Wasserfalls schossen und sich darin aufblähten. Vorkosigan schloss die Augen und lehnte sich gegen einen Baum. Auch er war am Rande der Erschöpfung, erkannte Cordelia. Zeitweilig unbeobachtet, musterte sie ihn neugierig. Sein Verhalten war die ganze Zeit von einem kurz angebundenen, aber würdevollen militärischen Professionalismus gekennzeichnet gewesen. Trotzdem beunruhigte Cordelia eine unterschwellige Warnung, ein dauerndes Empfinden, dass sie etwas Wichtiges vergessen hätte.
    Plötzlich sprang es in ihrem Gedächtnis hervor wie ein Ball, der zunächst unter Wasser gehalten wurde, dann aber losgelassen die Oberfläche des Wassers durchbricht und in die Luft schnellt.
    »Ich weiß, wer Sie sind. Vorkosigan, der Schlächter von Komarr.« Sofort wünschte sie, sie hätte nicht gesprochen, denn er öffnete die Augen und starrte sie an. Eine eigenartige Folge von Ausdrücken huschte über sein Gesicht.
    »Was wissen Sie über Komarr?« Sein Ton klang, als wolle er hinzufügen: Sie, eine unwissende Betanerin.
    »Einfach das, was jeder weiß. Es war eine wertlose Felskugel, die Ihre Leute mit militärischer Gewalt annektierten, um ihre Anhäufung von Wurmlöchern zu beherrschen. Der regierende Senat kapitulierte zu bestimmten Bedingungen und wurde kurz darauf ermordet. Sie haben die Expedition befehligt, oder …?« Sicherlich war der Vorkosigan von Komarr ein Admiral gewesen. »Waren Sie das? Ich dachte, Sie sagten, dass Sie keine Gefangenen töteten.«
    »Das war ich.«
    »Hat man Sie dafür degradiert?«, fragte sie überrascht. Sie hatte gedacht, dass eine solche Art Kriegführung der barrayaranische Standard wäre.
    »Nicht dafür. Für das, was folgte.« Es schien ihm zu widerstreben, mehr zu sagen, aber er überraschte sie wieder, indem er fortfuhr: »Das Nachspiel wurde wirksamer unterdrückt. Ich hatte mein Wort gegeben – mein Wort als Vorkosigan –, dass sie geschont würden. Mein Politischer Offizier widerrief meinen Befehl und ließ sie hinter meinem Rücken umbringen. Dafür habe ich ihn hingerichtet.«
    »Gütiger Gott!«
    »Ich brach ihm mit meinen eigenen Händen den Hals, auf der Brücke meines Schiffes. Es war eine persönliche Angelegenheit, verstehen Sie, die meine Ehre berührte. Ich konnte keinem Exekutionskommando den Befehl geben – sie fürchteten sich alle vor dem Ministerium für
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