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Schenk mir nur diese eine Nacht (German Edition)

Schenk mir nur diese eine Nacht (German Edition)

Titel: Schenk mir nur diese eine Nacht (German Edition)
Autoren: Anne McAllister
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eingebläut worden. „Stehe immer über den Dingen, mein Liebling“, pflegte er gern und oft zu betonen, „es ist deine Pflicht.“
    So hatte es zu sein. Eine Prinzessin war geduldig. Und pflichtbewusst. Und, wie könnte es auch anders sein, glücklich.
    Anny ihrerseits hätte es als ein Zeichen der Undankbarkeit empfunden, sich nicht standesgemäß zu verhalten.
    Eine Prinzessin zu sein war nicht immer ein Vergnügen. Diese Erfahrung hatte sie in sechsundzwanzig Jahren nur allzu oft gemacht. Aber das bloße Geburtsrecht gab Prinzessinnen Anspruch auf so viele Dinge, dass sie nicht anders konnten, als dankbar zu sein.
    Und so kam es, dass Ihre Hoheit Prinzessin Adriana Anastasia Maria Christina Sophia von Mont Chamion, alias Anny, gleichmütig, pflichtbewusst und unbeirrt glücklich war. Und dankbar. Immer.
    Nun ja, fast immer.
    Momentan fühlte sie sich eher angespannt. Sie war ungehalten, verärgert und – wenn sie zumindest ein bisschen ehrlich mit sich selbst sein wollte – ein klein wenig besorgt.
    Es war keine Angst oder gar Panik.
    Vielmehr handelte es sich um ein vages unwohles Gefühl im Magen. Eine leichte Gereiztheit gepaart mit einer schleichenden Beklommenheit. Ein Gefühl, das sie meist überfiel, wenn sie es am wenigsten erwartete.
    Nur war dieses Gefühl im letzten Monat so oft in ihr aufgestiegen, dass sie nun mittlerweile schon damit rechnete. Regelmäßig.
    Meine Nerven liegen blank, dachte Anny. Es ist die normale Aufregung vor der Hochzeit. Was machte es schon, dass die Hochzeit erst in mehr als einem Jahr gefeiert werden sollte. Noch nicht einmal der Termin war festgelegt worden. Und was machte es schon, dass Prinz Gerard gebildet, gutaussehend, kultiviert und mondän war.
    Aber anscheinend nicht hier.
    Anny stand auf und ließ ihren Blick noch einmal suchend über das hektische Geschehen in der Eingangshalle gleiten. Sie hatte sich schrecklich beeilen müssen, um die Verabredung um fünf im Hotel einhalten zu können. Ihr Vater hatte sie am Morgen angerufen und ihr mitgeteilt, dass Gerard sie treffen wolle, um mit ihr etwas zu besprechen.
    „Aber heute ist Donnerstag. Zu dieser Uhrzeit bin ich in der Klinik“, hatte sie entgegengehalten.
    Die Klinik Alfonse de Jacques war eine private Einrichtung, die sich Kinder und Jugendlicher mit Querschnittslähmungen und Wirbelsäulenverletzungen annahm, ein Mittelding zwischen einem Krankenhaus und einem Heim. Seit Anny vor fünf Monaten nach Cannes gezogen war, um ihre Doktorarbeit zu schreiben, arbeitete sie dort jeden Dienstag- und Donnerstagnachmittag ehrenamtlich.
    Anfangs hatte sie diese Aufgabe als einen nützlichen Zeitvertreib betrachtet, schließlich konnte sie nicht den ganzen Tag in ihrer Wohnung sitzen und über prähistorische Höhlenmalerei schreiben. Außerdem gehörte es sich einfach für eine Prinzessin, der Allgemeinheit einen Dienst zu leisten.
    Sie liebte Kinder, und denjenigen einige Stunden zu widmen, die im Leben mit großen Einschränkungen zu kämpfen hatten, schien ihr mehr als sinnvoll. Was sie jedoch zu Beginn nur für eine gute Tat und einen Zeitvertreib hielt, war schnell zu ihrem Lebensmittelpunkt geworden. Mit großer Vorfreude erwartete sie jede Woche die beiden Nachmittage.
    In der Klinik betrachtete man sie nicht als Prinzessin. Die Kinder wussten nichts über ihre Herkunft. Mit ihnen ihre Zeit zu verbringen war keine Pflicht, sondern eine Freude. Für sie war sie einfach Anny, ihre Freundin.
    Sie spielte fangen mit Paul und Videospiele mit Madeleine und Charles. Sie schaute sich Fußballspiele mit Philippe und Gabriel an und nähte winzige Puppenkleider mit Marie-Claire. Mit der naiven und lebhaften Elise sprach sie stundenlang über Filme und Filmstars, während sie mit dem mürrischen Franck – einem fünfzehnjährigen Zyniker, der durchgehend in der Klinik lebte – alles lange ausdiskutieren musste. Jeder Nachmittag hielt eine neue Herausforderung bereit. Und das gefiel ihr.
    „Ich bin immer mindestens bis um fünf in der Klinik“, hatte sie am Morgen ihrem Vater am Telefon entgegnet. „Gerard kann mich dort treffen.“
    „Gerard wird sicherlich nicht ein Krankenhaus besuchen.“
    „Es ist eine moderne Klinik mit angegliedertem Heim.“
    „Das macht keinen Unterschied. Er wird dich unter keinen Umständen an so einem Ort sehen wollen“, hatte ihr Vater entschieden erwidert. In seinen Worten schwang jedoch Verständnis mit. „Du weißt genau, wovon ich rede. Nicht seit Ofelia …“
    Er vollendete
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