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Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind

Titel: Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
Autoren: Roman Maria Koidl
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wir wieder und wieder Situationen inszenieren, die eine Wiederkehr traumatischer Erlebnisse in den unterschiedlichen Szenen provozieren. »Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten«, wie Freud 1914 in seinem berühmten Aufsatz schrieb. Dazu sucht sich die Seele mit unglaublicher Treffsicherheit Übertragungsfiguren, an denen wir uns abarbeiten. Menschen, denen nicht nur ohne ihr Wissen eine Rolle zugewiesen wird, sondern die aufgrund ihrer eigenen Prädisposition auch noch geeignet sind, dieses Spiel mitzuspielen und die unterbewusst zugedachte Rolle vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte zu erfüllen.
     
    Jeder nimmt Verhaltensmuster der Eltern auf. Dabei sind es eben gerade jene abgespaltenen, also nicht integrierten Teile des elterlichen Verhaltens, die uns wie mit einer emotionalen Spritze introjiziert werden. Eine Mutter, die sich verlassen fühlt, wird diese Empfindung und das daraus resultierende Verhalten unmittelbar auf ihr Kind übertragen, auch wenn sie das genaue Gegenteil beabsichtigt. In der Übertragung auf das Kind wird das Verhalten der Mutter dann jedoch in sein Gegenteil verkehrt. Wenn ein Mann zum Beispiel von seiner Mutter nicht beantwortet wurde und hier sein Trauma erlebt hat, wird er sich Frauen suchen, an denen er wieder und wieder stellvertretend Rache nehmen kann, wobei der Umstand, dass er selbst von seiner Mutter vernachlässigt wurde, gut verschlüsselt bleibt. Es ist also ein gutgetarnter Wiederholungszwang,in dem sich das gebrochene Selbst artikuliert. Dennoch gibt es einige Hinweise auf den Hintergrund, sogar einen Schlüssel, die Symptome zu übersetzen. Verachtung ist hierbei wohl die gebräuchlichste Form und der effektivste Schutz gegen den Durchbruch eigener Gefühle der Ohnmacht. Verachtung ist der unmittelbare Ausdruck abgespaltener Schwäche. Aber es gibt noch andere Abwehrmechanismen der eigenen Gefühle.
     
       – Verleugnung (des eigenen Leidens)
       – Verschiebung (nicht mein Vater, sondern mein Freund tut mir weh)
       – Idealisierung (Vaters Härte hat mich stärker gemacht)
       – Rationalisierung (ich schulde meinem Kind Erziehung)
     
    Die Mechanismen des Verschleierns, Verleugnens und Verbergens dienen nur einem einzigen Zweck: der Umkehr des eigenen passiven Leidens in aktives Verhalten. Der frühe Grund ist in den meisten Fällen die Abwesenheit eines Objekts, insbesondere eines Liebesobjekts.
     
    Die Partnerwahl hängt folglich mit dem Charakter des primären Objekts zusammen. Für Christin, die Freundin von Klaus, war das der Vater. Die Beziehung zu Klaus war dadurch sie mit höchst ambivalenten Gefühlen verbunden. Frauen drücken ihr Empfinden in einer solchen Partnerschaft gern damit aus, dass sie sagen: »Ich kannweder mit noch ohne ihn.« Unzählige Trennungen, gefolgt von Versöhnung und einem dazu nicht im Widerspruch stehenden hohen Maß an Verbundenheit mit dem Partner, belegen ein inszeniertes »Verlassenwerden«, belegen den Wiederholungszwang. Es sind dies Trennungen, die geprägt sind durch die unerträgliche und quälende Angst vor dem Verlust des Partners, also dem Verlust des Vatersubstituts. Da ist es wieder, das früh verankerte Gefühl des Verlassenseins, der unendlichen Einsamkeit. Es drückt sich aus in plötzlichem Hass, narzisstischer und für den Partner unverständlicher Wut und dem fortwährenden Vorwurf der Gleichgültigkeit und Ignoranz.
     
    Christins Leiden war eine Introjektion der väterlichen Verachtung und Gleichgültigkeit. Diese verborgene Tragik mündete bei Christin in ein Gefühl, das sie selbst als »Vernichtung« beschreibt. Zugleich brachte sie in bester Umkehr des eigenen Introjekts, Klaus, ihrem Liebesobjekt, eine gutmaskierte Verachtung entgegen, die jedoch als das genaue Gegenteil getarnt war: Unterwürfigkeit und Submissivität. Tatsächlich wurden in ihrer Kindheit Bereiche der Emotionalität durch den Vater zerstört. Christin suchte sich jedoch nie einen Mann, der das durchschaute, sondern stets und mit schlafwandlerischer Sicherheit einen Mann, der genau wie der Vater nicht die Möglichkeit hatte, auf sie einzugehen, sie zu verstehen, sich auf sie einzulassen (wenn auch aus anderen Gründen). Klaus hingegen suchte sich mit gleicher Sicherheit Frauen, die ihn vordergründig begehrten, aber in der Tiefe ihres Herzensabwehrten. Sein eigener Wiederholungszwang, die Not, nicht gehört zu werden, ließ ihn immer und immer wieder versuchen, sich verständlich zu machen, das Unmögliche doch noch
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