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Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind

Titel: Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
Autoren: Roman Maria Koidl
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einem Partner. Der eine lautet »Weiterführen«, der andere »Ausstieg«. Bei Ersterem kann die Theorie insofern nützen, als sie verstehen hilft, dass gleiche Entscheidungsmuster, also das Beharren auf eigenen Positionen – die Spieltheoretiker nennen es die »reine Strategie« –, stets in eine Pattsituation führten oder sich auch verbrauchten, weil die festgefahrene Verteilung keine Basis für eine langfristige Beziehung darstellt. Damit ist gemeint, dass in einer Beziehung die Frage, welches Auto man kauft, welche Fernsehsendung man sieht, welches Konzert man besucht, immer nach dem gleichen eingeübten Entscheidungsmuster abläuft, also jeder Spieler immerfort den gleichen Spielzug vornimmt. Einziger Ausweg aus diesem Dilemma ist die Abkehrvon einer »reinen Strategie« hin zu einer »gemischten«. Das bedeutet, dass jeder Spieler sein Spielziel verfolgt, aber in Kauf nimmt, dass dies nicht in einem Zug zu erreichen sein wird. Beide Spieler setzen also sowohl auf Konfrontation als auch auf Kooperation, um das Spielziel gemeinsam zu erreichen. Allerdings gibt es Spiele, die man aus den schon beschriebenen Gründen nicht gewinnen kann. Die einzige Lösung ist dann der Ausstieg. Der gestaltet sich jedoch oftmals für Partner schwierig. Vor allem, wenn das Spiel schon lange vor seiner Beendigung nur nach den Motiven der eigenen Pay-off-Maximierung gespielt wurde und damit von andauernden Phasen der Konfrontation geprägt ist. Das Problem beim Ausstieg: Keiner will das Spiel verlieren. Es ist, als hätte bei einer Auktion nicht nur der Gewinner, sondern auch der letzte Bieter sein Gebot zu bezahlen.
    Ein amerikanischer Forscher hat dazu Anfang der siebziger Jahre das »Dollar-Auktionsspiel« entwickelt. Dabei wird eine einzige Dollar-Note erstaunlicherweise immer wieder für viele tausend Dollar versteigert. Das Mindestgebot ist ein Cent. Stets wird der Bieter von 99 Cent den Bieter des Dollars übertrumpfen, um nicht als Verlierer dazustehen, und so weiter. Im angelsächsischen Wirtschaftsraum ist dieses Phänomen auch als »greater fool theory« bekannt und wurde im deutschsprachigen Raum mit dem Aktienboom der Jahre 1998 bis 2000 sichtbar. Dieses Spiel verdeutlicht unter anderem auch, welche Prozesse bei Scheidungen zwischen den Partnern ablaufen. Einzige Lösung aus dieser Pattsituation ist der sofortigeAusstieg, wenn man dieses Spiel als solches erkannt hat. Es ist nicht zu gewinnen, einzig der Schaden kann begrenzt werden.
    Diese mathematisch-theoretische Betrachtung menschlicher Zusammenhänge wirkt möglicherweise schlicht abschreckend, weil sie einen sehr wichtigen Aspekt bei alltäglichen Entscheidungen außer Acht lässt: das Gefühl. Gleichwohl sind die Regeln der Spieltheorie nützlich dabei, die Lebensprozesse in einem Modell abzubilden und somit logische Konsequenzen aus unserem Handeln transparent zu machen. Man kann sich diese Methode leicht zunutze machen, indem man die Konstellation, in der man sich gegenwärtig befindet, auf dieses System überträgt. Dabei kommt man vielleicht nicht unmittelbar zu einem Lösungsansatz, lernt jedoch, das Ganze als das zu verstehen, was es aus Sicht des Fallenstellers ist: ein falsches Spiel, das nicht zu gewinnen ist.

Der Sound der Kindheit
    B ei der Arbeit zu diesem Buch habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt in der Lage bin, zu erfassen, welch großer Einsamkeit und Verlassenheit manche Menschen in ihrer Kindheit ausgesetzt waren. Ob ich in der Lage sein würde, mit zufühlen, wie traumatisch diese Kindheitserlebnisse waren, die bis heute nachwirken und schmerzhaften Einfluss auf das tägliche Leben haben. Das Gefühl tiefster Verlassenheit ist jedoch nur einer der Abgründe, mit denen ich bei meinen Recherchen konfrontiert wurde. Dass es verlassene Kinder, vergessene Töchter sind, deren geschundene Kinderseelen bis in die Gegenwart bestimmend für ihr Leben sind, ist letztlich sogar leicht nachvollziehbar. Unerwartet hingegen war die Beobachtung der unvorstellbaren Leere von Hochbegabten und Talentierten, ihrer Einsamkeit, der Depression und der tiefempfundenen Sinnlosigkeit des eigenen Lebens. Was all diese Grandiosen verbindet, ist ihre auffällige Begabung – viele konnten mit fünf Jahren schon lesen, wurden von begeisterten und gutmeinenden Eltern gefördert und umsorgt. Dennoch landeten sie in einer emotionalen Leere. Sie versagen permanent vor dem Idealbild ihrer selbst.
     
    Beide Formen kann man als Ausweis einer narzisstischen Störung sehen,
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