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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an
Autoren: Jörg Nießen
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Rettungsdienstpersonal darf ich Patienten nicht mit Gewalt zu ihrem Glück zwingen, schließlich leben wir in einem freien Land. In der Regel gestalten sich derartige Situationen unproblematisch. Wenn Sie als Patient nicht medizinisch versorgt werden möchten, unterschreiben Sie, dass Sie auf eigene Verantwortung einen Transport in ein Krankenhaus verweigern. Alle Beteiligten sind fein raus. Das funktioniert aber nur, solange der Patient voll geschäftsfähig ist. Bei Jupp durfte berechtigt bezweifelt werden, ob er in der Lage war, seine eigene Situation zu seinem Besten einzuschätzen. Was also tun? Die Lösung heißt Polizei. Unser aller Freund und Helfer hat nämlich einen riesigen Vorteil. Wenn Verhandlungen, Argumente und Diplomatie kein Ergebnis bringen, kann, falls nötig, auch körperliche Gewalt ausgeübt werden. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hetze nicht jedem angetrunkenen Patienten gleich die Staatsmacht auf den Hals, aber Jupps Kopfplatzwunde war keine kleine Schramme, über die man hinwegsehen konnte. Da ich aber weder dafür ausgebildet bin noch dafür bezahlt werde, uneinsichtige Patienten unter Zwang ins Krankenhaus zu verfrachten, sah ich mich gezwungen, die Polizei um Hilfe zu bitten. Selbst wenn ich im Vorhinein gewusst hätte, was durch das Eintreffen der Polizei ausgelöst werden würde - ich hätte doch keine andere Wahl gehabt. Konnte man bisher noch von einer konstruktiven Grundstimmung in der Kneipe sprechen, so war mit dem ersten Fuß, den die Polizisten in den Blasierten setzten, eine gewisse Feindseligkeit spürbar. Vergleichen Sie den Moment mit einer Hochzeitsfeier, wenn auf dem Höhepunkt der Zeremonie der ungeliebte und selbstverständlich offiziell nicht eingeladene Exverlobte das Standesamt betritt. Da ist der Raum im gleichen Augenblick kniehoch voll mit Scheiße. Die beiden Polizeibeamten, die das Schicksal zu uns gespült hatte, waren sympathische Vertreter ihrer Art. Der eine ein wenig untersetzt mit schütterem Haar, der andere groß und schlank mit Hochwasser in der Diensthose. »Wie können wir helfen?«, fragte einer der Kollegen freundlich und neutral. »Sie können mal kurz die Tür vom Bierkeller aufschießen -haha«, grölte ein ebenfalls angetrunkener Gast und lachte sich mehrere Minuten über seine eigene Bemerkung kaputt. Die Polizisten ignorierten den Vorschlag und wandten sich mir zu. Kurz und knapp erklärte ich die Gesamtsituation und bat um Hilfe beim Transport von Jupp ins zuständige Krankenhaus. »Kein Problem, wir sprechen mal mit dem Herrn«, erwiderte der untersetzte Polizist mit einem Mienenspiel, als wäre diese Kleinigkeit in zehn Sekunden erledigt und außerdem seine leichteste Übung. »Die Herren vom Rettungsdienst sind der Auffassung, Sie sollten sich ärztlich versorgen lassen. Würden Sie uns nun bitte begleiten!«, sprach der Polizist an Jupp gewandt. Jupp drehte sich um, erblickte den Beamten, schaute mit seinen versoffenen Augen noch mal genauer hin und schüttelte abfällig den Kopf. Seine Antwort kam prompt: »Du bis doch de vollgeschissene Strumpf, de misch letzte Woche angehalten hat, disch erkenne isch wieder, du kannst misch mal da küssen, wo nie Licht scheint.« Auch dieser kurzen Konversation war anzumerken, dass gemeinsame Positionen und harmonisches Miteinander eher untergeordnete Rollen spielen würden. »Ich werde nicht lange mit Ihnen diskutieren, ins Krankenhaus werden Sie uns so oder so begleiten. Entweder auf die eine oder auf die andere Art«, erwiderte der Mann in Uniform ungerührt. Um die nun folgende Diskussion zu verkürzen: Es blieb bei den bekannten Standpunkten. Also musste die Polizei einen alternativen Weg der Problemlösung beschreiten - sanfte Gewalt. Jupp hatte sich leider jeden Respekt vor der Staatsmacht versoffen, er wehrte sich mit Händen und Füßen. Während dieser körperlichen Auseinandersetzung schlug die Stimmung in der Kneipe um. Hieß es eben noch: »Jupp, fahr mit ins Krankenhaus«, so grölte die versammelte Bagage nun: »Polizeistaat, Folterknechte, Scheiß-Pflasterkleber« etc. Das Ganze endete in einem Dreifrontenkrieg. Die Polizei war in einen Ringkampf mit Jupp verwickelt. Peter war damit beschäftigt, mehrere Gäste des Blasierten daran zu hindern, Jupp aktiv zu helfen. Mit anderen Worten, er schubste sich mit der halben Kneipe, und ich versuchte, unser Equipment unbeschadet von der Einsatzstelle zu entfernen. Zugegeben, meine Aufgabe klingt nicht besonders ehrenvoll, aber wenn eine nette
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