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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an
Autoren: Jörg Nießen
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ist da, wo der Mensch aufhört, ich kann es nicht mehr sehen«, schrie Lena fast hysterisch. Die Gute war einem Nervenzusammenbruch nahe. »Erzählen Sie weiter, darüber reden hilft!«, versuchte ich, ihr Mut zu machen. Lena setzte erneut an: »Ich betreute gerade die Damenrunde beim Kaffeekränzchen, zwei der Damen brauchen Unterstützung.« »Die muss uns füttern, weil wir uns sonst die Kuchengabeln sonst wohin stechen!«, lachte eine der Damen manisch dazwischen. Lena fuhr fort: »Jedenfalls läutete die Klingel auf dem Flur, das heißt, ein anderer Bewohner brauchte ebenfalls meine Hilfe. Herr Dromsel, er wollte auf seinem Zimmer Kaffee trinken und Kuchen essen. Er ist neu und hat noch nicht viel Kontakt zu anderen Bewohnern. Er sitzt im Rollstuhl und hatte seine Gabel fallen gelassen, ich gab ihm eine neue Gabel und hielt das Problem für gelöst. Gerade war ich wieder bei den Damen angekommen, als Herr Dromsel erneut läutete. Die Gabel war wieder runtergefallen, oder er hat sie mit Absicht fallen gelassen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, keine Ahnung. Mir kam eine Idee, wie sich herausstellte, eine verhängnisvolle.« Hein und ich nickten zustimmend. »Und wie ging es dann weiter?« »Warum die Damen und Herrn Dromsel nicht miteinander bekannt machen, dachte ich mir, quasi als Sozialisierungsmaßnahme.« Hein raunte mir hinter vorgehaltener Hand zu: »Ist wie im Zoo. Wenn neue Tiere kommen, werden die auch zunächst allein gehalten. Irgendwann bringt man die dann mit dem Rest der Herde zusammen und schaut, ob die Chemie stimmt.« Lena hatte von Heins Kommentar Gott sei Dank nichts mitbekommen und erzählte weiter: »Ich hab Herrn Dromsel dann in seinem Rollstuhl hier zur Sitzecke gefahren und die Herrschaften vorgestellt. Frau Stetz, Frau Malzmüller, Frau Spier und Fräulein Frohnhof. Zunächst ist auch alles gut gegangen. Aber irgendwann fragte Herr Dromsel, ob Fräulein Frohnhof denn auch ein richtiges Fräulein sei, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Frohnhof war natürlich empört, und der Rest der Weiber echauffierte sich ebenfalls, aber Herr Dromsel steigerte sich noch. >Mit Ihnen würde ich auch noch mal ein Apfelbäumchen pflanzen<, bot er Frau Stetz an, und zu Frau Malzmüller sagte er: >Komm, wir zwei, du bist lecker, altes Huhn gute Suppe!< Das hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Frau Malzmüller hat nicht lange gefackelt und Herrn Dromsel ihren noch lauwarmen Pfefferminztee ins Gesicht geschleudert - mit Tasse. Dann ging es los. Herr Dromsel konnte auf einmal wieder stehen, er hat sich den Kuchen geschnappt und dann die Damen damit eingeseift, und ich mittendrin, ich bin doch ganz allein, schauen Sie sich das Trümmerfeld hier mal an!« »Stimmt alles gar nicht!«, krakeelte Herr Dromsel, der wieder halbwegs friedlich in seinem Rollstuhl saß. »Und wie kommen wir ins Spiel? Wenn ich richtig sehe, gibt es keine Verletzten, oder?«, fragte Hein. »Nein, wirklich verletzt ist keiner, zumindest hoffe ich das. Ich war doch ganz allein, ich brauchte doch Hilfe. Ich hab auf anderen Stationen angerufen, habe aber niemanden erreicht. Dann hab ich den Pförtner angerufen, aber der Zivi wollte nicht kommen, er sei schon mal von Senioren verprügelt worden, hat er gesagt. Da fiel mir nichts Besseres ein, als den Rettungsdienst zu rufen, verstehen Sie - Rettungsdienst - ich hab die Leitstelle angerufen und irgendwas von einer Kopfverletzung gefaselt. Ich konnte doch schlecht sagen, Altenpflegerin wird mit Seniorenschlägerei nicht fertig. Entschuldigt bitte, aber ohne euch läge ich jetzt noch mit Herrn Dromsel auf dem Boden und würde einen Ringkampf veranstalten.« Wir fühlten uns ein wenig geschmeichelt. »Ja, so ist das. Wenn keiner mehr kommt, auf uns ist Verlass!«, formulierte Hein pathetisch. Verstärkung traf ein, Lenas Ablösung erschien. Eine burschikose Dame in gestärktem weißen Kittel schritt ehrfurchtgebietend über den Flur. Kein »Was ist denn hier passiert?«, sondern ein herrisches »Wer war das?« schallte über den Gang. Es wurde Zeit, sich zu verabschieden, um nicht unverschuldet Verantwortung übernehmen zu müssen. »Lass uns verschwinden, bei dem Besen haben wir in zwei Minuten einen Putzeimer in der Hand!«, flüsterte Hein. Während Lena den Hergang der Ereignisse noch einmal schildern musste, verabschiedeten wir uns höflich: »Alles richtig gemacht, gern wieder, noch mal alles gutgegangen ...« Als wir den Eingangsbereich verließen, resümierte Hein: »Ich liebe
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