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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an
Autoren: Jörg Nießen
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Gehprobe ab, d. h., Sie laufen auf dem Flur circa zehn Meter geradeaus, ohne links und rechts die Wände zu treffen. Zweitens, Sie unterschreiben, dass Sie das Krankenhaus gegen meinen ärztlichen Rat auf eigene Verantwortung verlassen.« Jupp nickte wild als Zeichen seiner Zustimmung. Ein gewagtes Spiel, Jupp war nach meiner Auffassung immer noch nicht geschäftsfähig. Gott sei Dank konnte mir das aber egal sein, die Verantwortung für unseren Patienten lag nun bei Dr. Aramidis. Die Polizei verabschiedete sich mit der pädagogisch wertvollen Ankündigung, Jupp in Zukunft ganz genau im Auge zu behalten, was dieser mit einem unkoordinierten Wink quittierte. »So, jetzt sind wir ja unter uns, dann wollen wir mal. Aufstehen, Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist, und zehn Meter geradeaus gehen«, mit diesen Worten forderte die kräftig gebaute Griechin den noch liegenden Jupp zur Gehprobe. Was nun folgte, war nicht schön anzusehen. Jupp stemmte sich hoch, saß dann mit baumelnden Beinen auf dem Behandlungstisch und kämpfte bereits jetzt mit dem Gleichgewicht. Beherzt ließ er sich auf seine Füße gleiten. »Knie durchdrücken!«, gab Frau Dr. in deutlichem Tonfall Anweisung. Jupp stand jetzt aufrecht. Mit den Armen glich er leichte Schwankungen immer wieder aus, man hatte den Eindruck, es könne gelingen. Dann der erste hoffnungsvolle Schritt, der linke Fuß hob vom Boden ab, und Jupp stürzte ungebremst wie ein gefällter Baum zu Boden. Ohne den Ansatz einer Abwehr- oder Schutzbewegung war Jupp mit schlaff herabhängenden Armen auf sein Gesicht gefallen. Man kann sagen, die Nase war geplatzt. Jupp schrie und jammerte. Frau Dr. Aramidis schaute auf den am Boden liegenden Jupp, verharrte einen Augenblick, blickte dann in Richtung des Pflegers und sagte kühl: »Der Herr hat sich entschieden zu bleiben. Ruf in der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung an, es gibt Arbeit.«

3. Umgang mit Angehörigen
    Ulla ruft an

    Die »Dame« lässt sich kaum definieren, aber man weiß, wenn man einer gegenübersteht. Willy Birgel

    S cheißwetter!«, bemerkte Hein passend, als wir in den Rettungswagen einstiegen. Das automatische Tor der Fahrzeughalle öffnete sich, und wir wurden Teil eines temporären Weltuntergangs. Schwere Regentropfen prasselten unaufhörlich gegen die Windschutzscheibe, die Scheibenwischer leisteten Schwerstarbeit, kamen aber kaum gegen die Wassermassen an. Ein wässriger Blindflug durch den Berufsverkehr stand uns bevor. Hein und ich waren unterwegs zur Fußgängerzone in der Innenstadt. »Männlicher Patient, Reanimation auf der Straße«, wurde der Leitstelle gemeldet, und so kämpften wir uns nun gegen Aquaplaning und überforderte Verkehrsteilnehmer zur Einsatzstelle. »Wo war die Einsatzstelle noch mal genau?«, brüllte Hein mich fragend an. »Am Eingang zur Passage, die zum Schlossgarten führt. Aber warum brüllst du so?«, brüllte ich zurück. »Der Regen ist so laut!«, meinte Hein mit etwas reduzierter Lautstärke. Er hatte recht. Zwischen Martinshorn, Rauschen im Funkgerät und dem Geprassel des Regens war das eigene Wort kaum zu verstehen. Kurz dachte ich über die Lautstärke von Regen nach, bis mir bewusst wurde, dass unser größtes Problem nicht die Geräuschkulisse, sondern die Feuchtigkeit werden würde. Der Regen ließ nicht nach. Falls wir tatsächlich auf der Straße arbeiten müssten, käme dies einem Miss-Wet-T-Shirt Contest gleich. Wir erreichten die Einsatzstelle. Weder Hein noch ich stiegen aus, stattdessen schauten wir auf die Szenerie, die sich uns bot. Es hatte sich eine Menschentraube gebildet, die eine merkwürdige Regenschirmchoreografie darbot. Der äußere Ring der Menschentraube schützte sich weitgehend selbst. Hier und da wurde der Ring von außen durchbrochen. Wenn ein neuer Schaulustiger eintraf, wollte dieser natürlich auch nach ganz vorn. Dort angelangt, wurden die Regenschirme jedoch genutzt, um irgendetwas in der Mitte Befindliches zu schützen. Ein farbenfrohes Meer aus Schirmen wurde über-, unter-, neben- und ineinander verkeilt gehalten. Natürlich wurden diese Schirmträger nass bis auf die Knochen, und so trat hier und da immer mal wieder jemand die Flucht nach hinten an. Dieses sich selbst erfindende Regenschirmchaos hatte in seiner Farbenpracht etwas von Anmut und Eleganz. Gern hätte ich noch verweilt, um zuzuschauen, doch es half nichts, wir mussten raus in den Regen. »Wahrscheinlich eh schon zu spät, geh du mal alleine gucken, ich hab echt Angst im Wasser,
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