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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um
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Taille. Rick Ferguson stocherte ungeduldig mit dem Revolver in der Luft herum. »Ich muß erst meine Schuhe ausziehen«, stammelte sie. »Ich kann die Hose nicht ausziehen, wenn ich nicht vorher die Schuhe ausziehe.«
    »Dann mach schon«, sagte er und entspannte sich wieder. »Je nackter, desto besser. Aber jetzt beeil dich mal.«
    Sie beugte sich zu ihren Füßen hinunter und fragte sich, was in Gottes Namen sie tun wollte. Langsam zog sie sich den linken Schuh vom Fuß und warf ihn zur Seite. Ich bin ja verrückt, dachte sie, ich habe nicht die geringste Chance. Bestimmt bringt er mich sofort um. Sie griff zu ihrem rechten Schuh, wußte, daß ihr nur noch Sekunden blieben. Sie zog den schwarzen flachen Schuh von ihrem Fuß, machte eine Bewegung, als wollte sie ihn zur Seite werfen, packte ihn statt dessen fest und schleuderte ihn mit aller Kraft nach dem Revolver in Rick Fergusons Hand.
    Sie verfehlte ihr Ziel völlig.
    »O Gott«, jammerte sie. »Mein Gott.«
    Doch die unerwartete Aktion überraschte Rick Ferguson, und er sprang erschrocken zurück. Was, zum Teufel, sollte sie jetzt tun? Konnte sie sich an ihm vorbeidrängen und zur Wohnungstür laufen? Konnte sie einen Sprung aus dem zweiten Stockwerk überleben? Hatte sie die Kraft, ihn zu entwaffnen?

    Es war zu spät. Er hatte das Gleichgewicht schon wiedergefunden. Er hielt die Waffe schon auf ihr Herz gerichtet. »Hey, ich glaub, dich umzubringen macht noch mehr Spaß, als den verdammten Kanarienvogel zu grillen.« Mit dem Revolver zog er eine unsichtbare Linie durch die Luft, die von ihrem Busen abwärts über ihre Rippen und ihren Bauch lief und bei ihrem Schoß endete.
    Es blieb ihr keine Zeit mehr. Es blieben ihr keine Möglichkeiten mehr. Er würde den Revolver gebrauchen, um sie anzuschießen und wehrlos zu machen, damit er sie vergewaltigen konnte. Dann würde er ihr mit bloßen Händen den Rest geben. Jess sah ihren toten Kanarienvogel vor sich und wünschte sich, sie könnte jetzt einfach ohnmächtig werden, obwohl sie genau wußte, daß er sie wieder zu Bewußtsein bringen würde, um sie jede qualvolle Sekunde bis zu ihrem Ende leiden zu lassen. Ohne zu überlegen, ohne sich bewußt zu sein, was sie tat, sprang Jess plötzlich über ihr Bett zum Fenster und brüllte wie am Spieß.
    Der Schuß krachte mitten hinein in ihr Gebrüll, und sie wußte, daß sie so gut wie tot war. Er war so laut, dachte sie. Wie ein Donnerschlag. Im Zimmer breitete sich ein gespenstisches Leuchten aus, so als sei ein Blitz hindurchgefahren, und die Farben bekamen eine nie dagewesene Intensität. Die sanften Pfirsichtöne glühten jetzt in einem lebhaften Orange, die Grau- und Blautöne bekamen ein metallisches Glitzern. Sie fühlte sich so leicht, als schwebte sie. Es hätte sie interessiert, wo die Kugel sie getroffen hatte, wie lange es dauern würde, bis sie umkippte.
    Er wartete gewiß nur darauf, ihr die noch verbliebenen Kleider vom Leib zu reißen, mit Gewalt in ihren fast leblosen Körper einzudringen, sie unter seinem Gewicht zu ersticken, mit seinen Ausdünstungen zu überwältigen. Schon fühlte sie seine groben Hände auf ihrem Körper, seine Zunge, die ihr Blut leckte. Sein Gesicht würde das letzte sein, was sie sah; sein gemeines Grinsen der Anblick, den sie mit ins Grab nehmen würde.

    Plötzlich fuhr sie herum. Rick Ferguson kam ihr entgegengestürzt. Seine Arme waren nach ihr ausgestreckt, sein Gesicht war weiß vor Wut, sein Grinsen erloschen. Aber dann strauchelte er, fiel ihr entgegen, und da wußte sie, daß ihr nichts geschehen war, daß kein Schuß sie getroffen hatte. Rick Ferguson war es, der zu Boden stürzte und vor ihren Füßen liegenblieb. Rick Ferguson war es, der tot war.
    Sie wurde in einen Sog der Finsternis gezogen wie in einen Strudel mitten im Meer, als sie in das klaffende Loch in seinem Rücken hinunterstarrte. Blut strömte in pulsenden Stößen aus der Wunde wie Öl aus einem Bohrloch und durchtränkte das schwarze T-Shirt, ehe es sich auf den Boden ergoß. Jess wurde übel. Sie hielt sich haltsuchend an ihrer Kommode fest.
    Und da sah sie ihn an der Tür stehen, die Waffe in der herabhängenden Hand. »Don!« rief sie ungläubig.
    »Ich habe dir gesagt, wenn dieses Schwein je versuchen sollte, dir etwas anzutun, würde ich ihn eigenhändig umbringen«, sagte er ruhig. Die Waffe entglitt ihm und fiel zu Boden.
    Jess stürzte sich in seine Arme. Er hielt sie fest und zog sie an sich. Sie drückte ihren Kopf an seine Schulter und
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