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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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seinem Kopf gellen ließ, als stünde sie neben ihm.
    Die Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Viviennes Arme umschlangen ihn und sie rieb ihre Wange an seinem Rücken. „Mon pauvre bébé“, flüsterte sie. „Mein armer, armer Kleiner.“
    Isabelles Schreie verstummten abrupt und die Stille dröhnte in seinen Ohren wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Vincents hielt nichts davon, Gefangene am Leben zu lassen, ganz egal wie erbärmlich dieses Leben auch ausgesehen hätte.
    André legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Behutsam küsste Vivienne seine wunden Lippen und glitt dann an seinem nackten Körper hinunter, bis sie vor ihm kniete.
    Er schloss die Augen und ließ sie gewähren. Kein Gewissen, kein Mitgefühl, kein Bedauern, keine Reue. Darum konnte der funkelnde Tropfen auf Viviennes dunklem Haar auch unmöglich eine Träne sein.
     

Delandra
     

Das kalte Licht der drei Monde erhellte die Nacht über dem Schlach tfeld. Sieger und Besiegte standen sich gegenüber, in einiger Entfernung wartete die Gruppe derer, die diesen Sieg möglich gemacht hatten. Der Name ihrer Waffe kroch einem räudigen Wolf gleich durch die Reihen der Kämpfer: Verrat.
    Das eigene Volk dem Feind auszuliefern, dafür gab es kein Wort in ihrer Sprache. Die Verachtung der Besiegten brodelte in den Reihen, aber sie mussten hilflos mitansehen, wie ihr Herrscher seinen Stab an Karelian übergab und das Knie zum Zeichen der Unterwerfung vor ihm beugte.
    Karelian wirbelte das edelsteinbesetzte Zepter in der Hand und ein Funkenregen sprühte durch die Nacht. Seine Gefolgsmänner johlten begeistert auf.
    „ Nun denn, Volk der Ark’ten’Aach, in Zukunft werdet ihr sein, was ihr schon immer wart: das Gewürm im Bauch der Erde.“ Karelians Stimme hallte über den Platz. „Ich verbanne euch in die Höhlen und Grotten unseres Landes, da mögt ihr leben oder nicht. Die Macht des Zepters ist nicht länger mehr die eure und eure wahre Natur trägt keine Maske mehr. Kein Vorgaukeln des schönen Scheins, keine Diebeszüge unter dem Geleit des Tagessterns. Die Nacht und die Dunkelheit sei fortan euer Platz, das Licht des Tages euer Tod. Die Wahl liegt bei euch. Von heute an für alle Zeit.“
    Karelian ließ das Zepter noch ein paar Mal aufblitzen. Es war mehr als nur ein Symbol. In ihm lag alle Macht der Ark’ten’Aach. Und diese Macht gehörte nun den Siegern der Schlacht. Karelian ließ den Blick über das Schlachtfeld wandern, ehe er sich schließlich abwandte und seinen Männern mit einer weitausholenden Handbewegung signalisierte, dass sie zum Schloss marschieren würden.
    In diesem Augenblick begriff Garek die wirkliche Tragweite der verlorenen Schlacht. Als sie sich zum Angriff bereit gemacht hatten, war er der Thronfolger gewesen. Prinz Garek, der einzige Sohn von König Pentara. Und jetzt war er nichts als ein in ewige Dunkelheit Verbannter. Sein Vater kniete noch immer auf dem Podium. Zwei von Karelians Männern zerrten ihn hoch und versetzten ihm einen Stoß, der ihn taumeln ließ.
    Gareks Blick flog zu der Gruppe der Verräter, die die Vorgänge aus sicherer Entfernung beobachtete. Männer und Frauen von seinem Blut. Er kannte sie. Jeden einzelnen. Orav, der den Gesang der Pizielle so gut nachmachen konnte; Leonor, der mit dem Bogen umging wie kein zweiter. Adur, Mulk, Saad, Leinte, Gefährten seiner Jugend. Verloren, vorbei, nichts konnte ungeschehen machen, was passiert war. Hinter ihnen standen ihre Familien, Mütter, Väter, Schwestern. Eine Mauer an Einigkeit, eine Mauer des Schweigens.
    Delandras silbriges Haar glänzte im Licht der Monde. Keine andere Frau hatte solches Haar. Oder Augen vom Purpur der Ledonitkristalle. Sie stand neben ihrem Bruder, aufrecht und stolz.
    Schmerz und Enttäuschung machten Gareks Kehle eng. Er hatte gehofft, dass sie nichts von dem Komplott wusste. Oder dass man sie zum Gehorsam zwang. Aber ihre Haltung sprach dagegen, sie wusste nicht nur davon, sie war Teil davon.
    Fuhrwerke näherten sich der Gruppe und nachdem alle aufgestiegen waren, folgten sie in einem hoheitsvollen Konvoi Karelian und seinen Männern. Die Umrisse verschwammen vor Gareks Augen. Erst als ihm sein Vater die Hand auf die Schulter legte, merkte er dass er weinte.
    „ Komm, mein Sohn, wir müssen uns verbergen, bevor das Tagesgestirn den Horizont erreicht.“ Pentaras Stimme klang erschöpft.
    Garek blickte in das Gesicht seines Vaters. Keine Hoffnung lag darin. Nur Müdigkeit und Resignation.
    Karelian
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