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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer
Autoren: Alexey Pehov
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in der Luft. Langsam drehte ich den Kopf, darauf gefasst, hinter mir die dreiunddreißigtausend Dämonen des Dunkels zu erblicken. Das war aber zum Glück nicht der Fall. Da stand nur ein einziger Garrinch. Er glotzte mich aus fahlen Augen an.
    Wie lautlos diese Kreatur sich angeschlichen hatte! Nicht einmal der singende Marmor hatte ihn verraten!
    Alles in mir gefror. Mit keiner Silbe hatte Gosmo, als er mir diesen Auftrag vermittelte, einen Garrinch erwähnt. Schöne Bescherung!
    Garrinchs leben weit im Süden, in den Steppen Ungawas, fast an der Grenze zum Sultanat. Sie geben vorzügliche Wachhunde ab, vor allem gegen solche Leute wie mich. An einen jungen Garrinch heranzukommen war fast unmöglich, weshalb sie auch horrende Summen kosteten. Gerüchten zufolge sollten die Schatzkammern des Königs aber gleich von zwei solcher Wesen bewacht werden.
    Das Tier knurrte noch einmal, während es aufmerksam und forschend in den Schatten spähte, in dem ich erstarrt war. Eine fast kalbsgroße Ratte mit grüner Schlangenhaut statt eines Fells und einem erlesenen Satz von Zähnen, die selbst einen Ritter in seiner Rüstung zermalmen konnten. Wenn man kein Magier war, machte man einer solchen Kreatur nicht so einfach den Garaus.
    Der Garrinch stierte weiter auf die Stelle, an der ich allmählich in Schweiß geriet. Gut eine Minute grübelte das Untier, dann knurrte es noch einmal, witterte etwas, verstand aber noch immer nicht, wohin dieser schleichende Schatten klammheimlich verschwunden sein konnte. Schließlich trottete es langsam und hinkend auf die offene Tür zu, die zum Flügel der Diener führte. Das würde morgen früh ein lustiges Erwachen geben, wenn ein paar von den Dienern fehlten!
    Sonst war der Zugang zum Trakt der Dienstboten für solche Wesen versperrt, eben damit sie niemanden fraßen, wenn sie nachts in einem Stockwerk patrouillierten. In meiner Arglosigkeit hatte ich die Tür jedoch offen gelassen und fürchtete nun um das körperliche Wohl der nichts ahnenden Diener.
    Noch einmal holte ich tief Luft, dann nahm ich den Finger vom Abzug der Armbrust. Ich war mit dem Leben davongekommen. Aber ich musste vorsichtiger sein, das Untier konnte jederzeit wieder auftauchen, selbst nach ein paar verputzten Dienstboten noch hungrig.
    Unter der Tür zum Schlafgemach des Herzogs schimmerte ein schmaler Lichtstreifen. Seltsam.
    »Das ist gelogen! Ich bin dem Herrn treu!«, vernahm ich eine hohe, quiekende Stimme.
    Was tat denn der Herzog hier? Warum um alles in der Welt war er nicht auf der Jagd?
    »Treu?« Diese zweite Stimme jagte mir einen Schauder über den Körper. In ihr lag nicht ein Funken Leben. Eine Grabeskälte ging von ihr aus, vermischt mit bösartigem Spott. »Und warum verfolgt der König dann immer noch seinen Plan mit dem Horn?«
    »Wegen seiner verfluchten Garde und Alistan Markhouse! Die bewachen den König rund um die Uhr! Der Hauptmann der Garde ahnt etwas! Er lässt mich einfach nicht unter vier Augen mit dem König sprechen!« Angst schwang in der Stimme des Herzogs mit.
    »Mein Herr ist nicht daran gewöhnt, dass seine Befehle nicht befolgt werden.« Wieder diese kalte, tote Stimme.
    »Und ich bin nicht daran gewöhnt, dass man mir vorenthält, was man mir schon lange versprach!« Der Mann schrie jetzt fast.
    »Gut, dann sollst du deinen Lohn bekommen«, entgegnete die tote Stimme nach kurzem Zögern, als müsse sie erst einem Befehl lauschen, der nur ihr vernehmbar war.
    »Halt! Halt! Ich wollte doch nur … aaaahhh!«
    Hinter der Tür ließ sich ein widerliches Schmatzen vernehmen.
    Ich hatte das Gefühl, jemand stoße mich von hinten. Gewiss, klüger wäre es abzuwarten, bis der Unbekannte fort war – doch das hielt ich nicht aus. Mit der Armbrust im Anschlag stürmte ich ins Schlafgemach.
    Das schwache Feuer im Kamin flackerte, die zuckende Flamme reichte nicht aus, den riesigen Raum zu erhellen, sondern warf nur in einzelne Winkel Licht. Auf den Herzog Pathy zum Beispiel, der mit panisch verzerrtem Gesicht und aufgeschlitzter Kehle in dem hohen roten Sessel saß. Aus der Wunde sprudelte Blut.
    Im offenen Fenster bemerkte ich die geflügelte dunkle Silhouette des nächtlichen Besuchers. Kurz fing ich den Blick aus den gelben Augen auf, die mich mit kaltem Spott und der Überheblichkeit des Todes selbst ansahen, dann drückte mein Finger den Abzug. Die Sehne flirrte, der Bolzen traf die Kreatur in den Rücken, als sie sich aus dem Fenster stürzte und schon die Flügel spannte. Ein dumpfes
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