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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer
Autoren: Alexey Pehov
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Laden fand man auch noch andere Bolzen. Die sich entzündeten oder mit sonstigen Tricks überraschten. Dafür brauchte man nur Geld. Viel Geld. Wer etwas von seiner Sache verstand, schoss dann mit dieser kleinen Armbrust einem Menschen aus siebzig Schritt Entfernung ein Auge aus.
    In dem kalbsledernen Beutel, der an meinem Gürtel hing, steckten ein paar Fläschchen mit magischen Flüssigkeiten. Für den Notfall. Ein Händler, den ich gut kannte, ein Zwerg, hatte mir dafür alles Geld abgeknöpft, das ich bei meinem letzten Raubzug während einer Feierlichkeit im Hause eines stadtbekannten Lebemanns gemacht hatte. Aber diese Sachen waren ihr Geld wert.
    Genug, länger durfte ich wirklich nicht zögern. Vorwärts!
    Selbst wenn Wachen auf der Palastmauer gewesen wären, hätten sie doch nur graue Steine und den Nebel gesehen, der an manchen Stellen vom Wind zerfetzt wurde und mit den Schatten auf dem Platz Fangen spielte. An den Bibliotheksmauern entlang rannte ich zum Schloss des Herzogs hinüber. Ich umrundete die Vorderfront und bog in eine Seitengasse ein. Die Mauer zog sich auch hier dahin, Sagoth sei Dank aber ohne diese scheußlichen Fenster. Dafür gab es eine schmale, für Passanten kaum wahrzunehmende graue Eisentür in ihr, durch die die Diener ins Allerheiligste des Herzogs gelangten.
    Auf die Mauer fiel Licht, Schatten gab es hier keinen. Wie auf Sagoths Handteller stand ich davor. Zum Glück war die Straße leer, die Patrouille würde erst in ein paar Minuten kommen. Damit blieb mir ausreichend Zeit.
    Ich zog einen Satz Nachschlüssel unter meinem Gürtel hervor, den die Zwerge eigens für mich angefertigt hatten. Normale Menschen glauben ja gern, es wäre leicht und billig, ein Meisterdieb zu sein. Das stimmt aber nicht. Wenn man etwas stehlen will, ist das Wichtigste zunächst eine gute Ausrüstung, dann sichere Erkundigungen.
    Ach ja, und noch eine winzige Kleinigkeit, die ich beinahe vergessen hätte: Talent. Ohne Talent konnte niemand etwas stehlen, selbst wenn ihm eine noch so gute Ausrüstung zur Verfügung stand.
    Ich hantierte mit einem Dietrich und versuchte, die Feder im Schloss zu spüren. Es klickte leise. Die erste Hürde war genommen.
    Da hörte ich Pferdegetrappel, worauf ich noch schneller arbeitete. Mir blieb höchstens eine halbe Minute, bevor die Reiter um die Ecke biegen mochten. Erneut klickte es. Die zweite Hürde. Verzweifelt versuchte ich, die letzte Feder ausfindig zu machen. Diese verdammten Zwergenschlösser! Von ihrem Handwerk verstanden sie wirklich etwas, diese Winzlinge! Nur noch fünf Sekunden! Ich riss den Dietrich aus dem Schloss und huschte in den Schatten auf der gegenüberliegenden Seite zurück.
    Gerade noch rechtzeitig, denn jetzt tauchten die Reiter auf. Zwei, drei, fünf, sieben – dreizehn! Eine Glückszahl! Sie ritten auf hochgewachsenen Pferden, Doralissanern. Dunkle Silhouetten vor dem grauen Hintergrund der Nacht. Das Hufgeklapper hallte dumpf von den schlafenden Häusern wider. Ich blieb reglos im Schatten, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
    Zehn Soldaten in grau-blauen Uniformen. Ihnen folgte auf einem edlen gescheckten Hengst eine Frau. So sehr ich mich auch anstrengte, ihr Gesicht vermochte ich nicht zu erkennen, da es von einem dichten Schleier verdeckt wurde. Zwei Soldaten ritten unmittelbar hinter der Frau, behelmt und mit geschlossenem Visier, sodass auch ihre Gesichter meinem Blick entzogen waren.
    Aus den Nüstern der Pferde wölkte Dampf. Als sie an mir vorbeikamen, wieherte eines der Tiere, doch der Soldat zog nur die Zügel an, und die Prozession bewegte sich weiter die Straße hinunter. Was hatten die Gardisten des Königs und die unbekannte Frau wohl nachts auf der Straße zu suchen? Aber da steckte ich meine Nase lieber nicht rein. Ich würde länger leben, wenn ich es nicht wusste, andernfalls würde man Garrett den Schatten womöglich noch mit aufgeschlitzter Kehle im Kalten Meer finden. Dem dreizehnten Reiter folgte kurze Zeit später eine weitere Einheit von zehn Mann, fraglos die Rückendeckung. Sie trugen eine gewöhnliche Uniform, nicht die grauen und blauen Farben der Königsgarde. Am Ärmel eines der Reiter erspähte ich jedoch eine purpurrote Stickerei. Die Wilden Herzen! Was taten die nur so weit entfernt vom Einsamen Riesen?
    Ich wartete, bis auch der letzte Reiter um die Ecke gebogen war, und pirschte mich dann abermals zur Tür.
    Der Innenhof des Schlosses lag ruhig, dunkel und verlassen. Nur in der Küche und im zweiten
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