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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer
Autoren: Alexey Pehov
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minderjährigen Jungen. Doch auch über diese kleine Schwäche ging man besser hinweg, da man andernfalls eines schönen Tages womöglich ein Messer im Rücken hatte.
    Der König duldete die Neigungen seines lieben Anverwandten. Noch. Denn Seine Hoheit war, wie es hieß, Menschen, die mit Staatsgeldern um sich warfen, nicht allzu gewogen.
    Die zwanzig Meter lange Fassade des Hauses begrenzte auf beiden Seiten jeweils ein hoher Rundturm mit Flachdach. Im linken Turm gab es ein sieben Yard breites Holztor mit schweren, eisenbeschlagen Flügeln, durch das bequem vier Reiter nebeneinander passten. Dieses Tor brauchte mich nicht zu kümmern. Das war nur für geladene Gäste.
    Ich rannte schnell über den beleuchteten Platz, um im Schatten der Kolonnade eines Gebäudes zu erstarren, das links vom Denkmal lag. Die hohen, mit kunstvoller Schnitzerei versehenen Säulen der Bibliothek spendeten undurchdringliches Dunkel. Die Städtische – oder, wem das besser gefiel, die Königliche – Bibliothek. Pilgerstätte der Magier und Geschichtsschreiber. Ab und zu suchten sogar Mitglieder des Hofes sie auf, um ihr Wissen zu mehren. Meist begaben sich Adlige, die studieren wollten, jedoch gleich nach Ranneng, in die Stadt des Wissens.
    Der Grok-Platz lag völlig verlassen, wie alle Straßen in Awendum.
    Der Unaussprechliche erwachte erst allmählich. Die Nacht war voller Gefahren. Nur Diebe erledigten jetzt ihre Arbeit. Natürlich längst nicht alle Diebe, sondern einzig die geschicktesten und kühnsten. Oder die gierigsten und dümmsten. Nur diejenigen von ihnen, die das Dunkel dieser Juninacht nicht schreckte. Und die Stadtwache war unterwegs, hastete durch die Straßen, sah sich verängstigt um und zog jedes Mal den Kopf ein, sobald im Schatten etwas raschelte. Schauerlich. Es war wirklich schauerlich. Die unsichtbaren Finger der Angst hielten Awendum gepackt. Und obwohl sich die Menschen immer wieder versicherten, der Orden ließe nichts unversucht, um die Dämonen zu töten, konnte ihnen nichts die Angst vor der heraufziehenden Nacht nehmen.
    Gut, ich drückte mich besser nicht länger auf dem Platz herum, sondern machte mich endlich ans Werk. Ich betrachtete das Ziel meiner nächtlichen Mission. Der Palast des Kronherzogs schien ausgestorben. Weder am Tor noch auf der Mauer gab es Wachtposten. Wahrscheinlich hockten sie drinnen und klapperten mit den Zähnen. Ich konnte sie verstehen, schließlich würde auch ich jetzt in meinem Unterschlupf sitzen, müsste ich nicht diesen Kontrakt erfüllen.
    Der Auftrag war aus heiterem Himmel an mich herangetragen worden. Jemand zeigte Interesse an einer bestimmten Sache aus dem Palast des Kronherzogs. Er zahlte gut, sogar hervorragend. Mit diesem Geld könnte ich zwei Monate lang die Hände in den Schoß legen. Angeblich bräuchte ich bloß in das Haus hineinzuspazieren und das Ding an mich zu nehmen, da der Herzog mit seinem Gefolge zur Jagd in den Wäldern vor der Stadt aufgebrochen war. Die Hirschjagd soll in diesen finsteren Zeiten ja die Stimmung heben.
    Auf den ersten Blick also das reinste Kinderspiel. Rein ins Schloss, wieder raus, fertig.
    Ich tastete meine Ausrüstung und Kleidung sorgfältig ab, um ein letztes Mal zu kontrollieren, ob nichts fehlte. Der graue Umhang mit Kapuze, die grauen Handschuhe, die schwarzen Hosen und Stiefel. Ein langes zweischneidiges Messer, das ich wie üblich mit zwei Lederriemen am Schenkel festgeschnallt hatte, damit es mich nicht in meinen Bewegungen einschränkte, wenn ich rannte. Ein Kurzschwert, wenn man so will, knapp eine Elle lang. Ich hatte ein hübsches Sümmchen in Gold für die Klinge hingegeben. Sie war mit einem Silberstreifen gesäumt, sodass ich mit ihr sogar einen Kampf gegen einen Zombie oder gegen jeden anderen Wiedergänger wagen konnte. Selbst wenn ich nicht als Sieger aus ihm hervorginge – mit heiler Haut würde ich ihn auf alle Fälle überstehen. Gut, möglicherweise mit einem abgehackten Arm. Mit dem schweren Griff konnte ich zudem übereifrigen Wachtposten eins über den Schädel ziehen. Denn nicht der ist ein Meisterdieb, der einer Wache die Kehle durchschneidet, sondern der, der lautlos daherkommt, eine Sache an sich nimmt, genauso leise wieder verschwindet und möglichst wenig Spuren und demzufolge auch möglichst wenig Leichen hinterlässt.
    Über meiner Schulter hing eine kleine leichte Armbrust, die mit kurzen dicken Bolzen mit vierzahniger Stahlspitze geladen wurde. Aber nicht nur mit ihnen. In einem magischen
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