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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher
Autoren: Matthew Sturges
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bestens von allen weltlichen Dingen lossagen könnt.«
    Er nahm Silberdun die Flasche ab und trank seinerseits einen Schluck, bevor er sie wieder in seinem Schreibtisch verschwinden ließ. »Ach, wem will ich was vormachen«, fuhr der Abt fort. »Der Mann verabscheut Euch. Und das aus gutem Grund.«
    »Aber dass er so viel Freude dabei empfindet, mich zu schikanieren, macht ihn nicht gerade zu einem Heiligen«, meinte Silberdun pikiert.
    »So lasst diesem Mann doch seine kleinen Freuden. Er hat einen wirklich schwierigen und undankbaren Job. Aber ob Ihr's glaubt, oder nicht, es gab in diesem Tempel noch weitaus schlimmere Novizen als Euch.«
    »Ach, wirklich?«
    »Ja, ich war ein richtig übler Bursche. Während meiner Novizenschaft hab ich mal zwei Zwillingsschwestern in die Sakristei geschmuggelt und sie dann mit dem heiligen Wein betrunken gemacht.«
    »Nein!« Silberdun schlug auf den Tisch. »Ihr Schuft! Und trotzdem hat man Euch zum Priester geweiht?«
    »Es ist nie rausgekommen.«
    »Ich wusste gleich, warum ich Euch mag«, sagte Silberdun. »Nun, ich schätze, Ihr werdet mich bestrafen müssen. Einen Monat Dienst im Aborterker, richtig?«
    »Eigentlich zwei Monate. Einen fürs Fernbleiben beim Morgengebet und einen fürs Trinken in Anwesenheit Eures Abtes.« Estiane grinste und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ha! Damit habt Ihr wohl nicht gerechnet, was?«
    »Ihr alter Lumpenhund. Ich begreife nicht, wie Ihr's zum religiösen Oberhaupt gebracht habt.«
    »Ganz einfach.« Estiane beugte sich vor, und sein Lächeln verblasste. »Seht Euch doch um. Seht Ihr hier vielleicht irgendwelche Gläubigen? Irgendeine andere verlorene Seele außer Euch, die gekommen ist, um mich um spirituelle Führung zu bitten? Ich bin Beamter. Würde ich zum mustergültigen Ordensmitglied taugen, wäre ich jetzt da draußen und würde meinen Glauben praktizieren.« Estiane seufzte. »In Wahrheit ist die Beförderung zum Abt keine Belohnung, sondern eine Strafe.«
    Silberdun spürte, wie ihm in dem geheizten Büro allmählich wärmer wurde. »Das mag Eure Meinung sein. Doch ich durfte einst Vestar aus dem Aba-Tempel in Sylvan kennen lernen. Nie traf ich einen frommeren Mann als ihn!«
    Was von Estianes Lächeln noch übrig war, erstarb in diesem Moment. Er sah zu Boden. »Musstet Ihr jetzt unbedingt diesen alten Mann ins Spiel bringen, Silberdun? Gerade als es mit Euch ein bisschen lustig zu werden versprach ...«
    Er seufzte. »Manchmal ist auch Unsereins gezwungen, ein frevelhaftes Verhalten an den Tag zu legen, um den Irrungen und Wirrungen in der Welt mit Humor zu begegnen. In den Augen Abas, der alles sieht, ist ein jeder von uns ein Sünder. Doch einige kommen dem Ideal schon sehr, sehr nahe. Einige von uns sind so stark, dass sie keine Robe zwischen sich und dem Wind brauchen. Vestar war ein solcher Mann.«
    »Also gebt Ihr zu, ein lausiger Abt zu sein«, feixte Silberdun.
    »Dergleichen hab ich nie zugegeben!«, sagte Estiane. »Vestar war ein Heiliger. Es ist einfach so, dass es mehr Kirchen als Heilige gibt, das ist alles. Wir vollbringen das Bestmögliche mit den uns gewährten Gaben. Die meisten von uns waren und sind gezwungen, um unser Seelenheil willen Kompromisse zu schließen. Die Tatsache, dass Vestar dies nie tat, legt einmal mehr Zeugnis ab von seiner einzigartigen Gabe.«
    »Seine einzigartige Gabe kostete ihn das Leben«, bemerkte Silberdun. »Er erhob sich gegen Purane-Es, wiewohl er fliehen und sich in Sicherheit bringen konnte.«
    »Da habt Ihr's!«, sagte Estiane. »Da habt Ihr's!«
    »War das dann alles?«, fragte Silberdun. »Oder sind hier vielleicht noch irgendwelche Pasteten versteckt, von denen ich kosten könnte, bevor ich mich zu meinen Brüdern setze, um meinen morgendlichen Haferschleim herunterzuwürgen?«
    »Als ob ich meine Pasteten mit Euch teilen würde«, erwiderte Estiane und zupfte seine Robe in Form.
    Silberdun erhob sich zum Gehen, doch der Abt bedeutete ihm, sich wieder hinzusetzen. »Hört zu, Silberdun. Da Ihr schon mal hier seid, würde ich gern etwas mit Euch besprechen.«
    »Also, falls Euch wieder mal der Sinn nach hübschen Zwillingsschwestern steht, bräuchte ich dafür schon ein paar Tage ... und natürlich auch den Schlüssel zur Sakristei«, erwiderte Silberdun.
    Estiane schwieg; ihm war ganz offenbar nicht mehr zum Scherzen zumute.
    Silberdun zog seine Robe enger um sich. »Nun gut, um was geht's denn?«
    »Ich war mir unsicher, ob ich die Sache überhaupt zur Sprache
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