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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher
Autoren: Matthew Sturges
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königlichen Seelie-Wachen die Menge zurückdrängte, die als Möchtegernflüchtlinge das Portal umlagerte, schloss der Meister die Tür und nahm sodann ein besonders schwer wirkendes Teil des Mechanismus an sich. Rasch trat er auf die Plattform und signalisierte den Wachen, ihm zu folgen. Die zogen sich zur Sicherheit der anderen Passagiere nur Stück für Stück zurück in das schimmernde Portal. Ihre gezückten Schwerter waren das Letzte, was von ihnen zu sehen war. Als auch der Letzte hindurch war, erlosch das Portal, und statt des Durchgangs blieb nur mehr eine Wand aus poliertem schwarzem Stein zurück. Die aufgebrachte Menge hämmerte mit den Fäusten dagegen, einige weinten und jammerten, anderen schrien vor Wut und Verzweiflung.
    Kurz vor Morgengrauen ertönte die Alarmglocke in der Stadt; bald darauf wurde die Unseelie-Flagge auf dem Obelisken gehisst. Dann wurde es totenstill in Blut von Arawn. Die Menge an der Port-Herion-Plattform zog sich widerstrebend vom Portal zurück und ging ihrer eigenen Wege - einige kehrten mit hängenden Köpfen in die Stadt zurück; andere schlugen sich ins Hinterland durch, ohne sich umzuschauen.

2. KAPITEL
    Titania ist das Land, und das Land ist Titania.
    Sie versteht das Lied der Vögel und spürt die gepflügte Erde auf ihrer Haut.
    - Anonymer Verfasser, »Ode an Titania«
    Heute
    Regina Titania, Faekönigin der Seelie, Reinstes Blut der Reinsten Elfen, saß auf ihrem steinernen Herrschersitz, das Kinn in die Hand gestützt, und ließ die Füße baumeln. Die Lichter im Thronraum waren gedämpft, und das Klacken ihrer Absätze auf dem Boden hallte in der Dunkelheit wider.
    Sie sah zu ihrem Ehemann hinüber. König Auberon, Abas leiblicher Sohn, fläzte sich untätig auf seinem eigenen Thronsessel. Seit Jahrhunderten hatte er nicht mehr gesprochen, nicht mehr, da sie ihn am Tage ihrer Hochzeit seiner Kräfte und seines Geistes beraubte.
    »Mein Gatte, ein Wandel vollzieht sich«, sprach sie mit sanfter Stimme. »Vor langer Zeit schon hattest du mich vor diesem Tage gewarnt, doch ich verspottete dich. Nun jedoch kommt die Einsicht.«
    Auberons Kopf rollte zur Seite, und er schluchzte lautlos auf.

3. KAPITEL
    Alle Gaben kommen von Aba,
    dem Gott über allen Göttern.
    Für jenen, der da klar sieht,
    ist dies keine Frage des Glaubens;
    es ist eine Unumstößlichkeit.
    - Alpaurle, Magus, übersetzt von Feven IV zu Smaragdstadt
    Silberdun saß im Vestibül von Abt Estianes Büro und zitterte vor Kälte. Tebrit hatte ihm einfach die Novizenrobe über den Kopf gezerrt, ohne dass sich Silberdun zuvor hatte abtrocknen können. Nun tropfte er auf den Fußboden.
    Nach einigen Minuten öffnete Abt Estiane die Tür und geleitete Silberdun in sein Büro, nicht ohne bei seinem Anblick ein Grunzen auszustoßen. Das Büro war beengt, aber warm. Es war dem Abt gestattet worden, eine kleine Kohlenpfanne aufzustellen, da das Rheuma ihn plagte. Zumindest behauptete er das. Silberdun jedoch wusste, dass Estiane die Kälte schlicht und einfach hasste und der Meinung war, er habe sich, um es in des Abts eigenen Worten zu formulieren: »als Klostermönch lange genug grundlos den Arsch abgefroren«.
    Einige Minuten lang schwieg Estiane, kramte stattdessen in den zahlreichen Schriftrollen und Büchern herum, die auf seinem Tisch lagen. Schließlich gab er die Suche auf, langte nach unten und brachte eine metallene Flasche zum Vorschein, die er Silberdun reichte.
    »Hier«, sagte er. »Ein kleiner Eisbrecher.«
    Silberdun nahm einen Schluck und wurde mit dem wohl besten Kognak belohnt, den er je getrunken hatte. »Bei den Titten der Königin, Vater, wo habt Ihr das Zeug bloß aufgetrieben?«
    Estiane lächelte. »Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, Silberdun. Oder glaubt Ihr, ich würde diesem Laden noch vorstehen, wenn ich nicht ein paar Beziehungen hätte?«
    Silberdun nickte und nahm einen weiteren Schluck.
    »Wie ich hörte, habt Ihr Tebrit wieder mal gegen Euch aufgebracht«, sagte Estiane.
    »Was kein Kunststück ist.«
    »Ihr habt das Morgengebet verpasst, richtig?«
    »Schätze, mein Brummschädel ist dafür verantwortlich, dass ich jetzt hier vor Euch sitze.« Silberdun zuckte die Achseln. »Aber im Vertrauen, ich glaube nicht, dass mich Tebrit besonders ins Herz geschlossen hat.«
    Estiane wedelte den Gedanken beiseite. »Unsinn. Tebrit nimmt lediglich seine Aufgaben als Prior ernst, um sicherzustellen, dass Euer Noviziat auch eine Zeit der Läuterung darstellt, auf dass Ihr Euch
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