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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher
Autoren: Matthew Sturges
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Seine Brust hob und senkte sich unter seinem Keuchen. Es war ihm längst schon egal, ob man ihn sah oder welchen Eindruck er auf seine Umwelt machte. Es rechtzeitig zum Tor zu schaffen, durch das Portal zu treten, hinaus auf Seelie-Gebiet, das war alles, was zählte.
    Am Fuß des Kollws Kapytlyn gab es eine Straße, dort, wo sich das Südwesttor befand. Paet erreichte sie außer Atem nach einer Zeit, die ihm wie Stunden erschien. Die Straße war leer und verlief entlang eines Kamms, von dem aus man die endlosen Weiten Annwns überblicken konnte. In der Ferne hob ein Hwch Ddu Cwta, eines jener riesigen, tentakelbewehrten Wildschweine, seinen Kopf und blickte ungeachtet des ganzen Tumults in den dunklen Nachthimmel.
    Paets Beine fühlten sich an, als wären sie von kaltem Eisen umwickelt, sein Atem ging stoßweise. Blut lief an seinem Rücken herab und gerann an seinen Oberschenkeln. Er taumelte, dann noch einmal. Er hätte diese Kinder töten sollen; am Ende wäre es doch nötig gewesen. Er hatte geschworen, die Kinder des Seelie-Königreichs zu beschützen, nicht die von Annwn.
    Er kämpfte sich wieder auf die Beine. Die Schmerzen in seinem Rücken, seiner Brust, seinem Handgelenk - sie alle schienen sich jetzt gegen ihn verschworen zu haben. Ein jeder besaß seine eigene Persönlichkeit, seine eigene Handschrift der Pein.
    Das Stadttor war bereits hochgezogen worden; unbewacht lag es da. Dahinter, in der Ferne, konnte Paet schon die Plattform leuchten sehen. Das Portal war noch immer offen!
    In diesem Moment griff ihn einer der Bel Zheret von hinten an, rammte ihm seine Schulter in die Messerwunde. Die Tasche mit Jeniens Kopf wurde bei der Attacke ein Stück weit davongeschleudert. Ob es sich bei dem Angreifer um Katze oder Natter handelte, konnte Paet nicht sagen. Nicht dass es noch eine Rolle spielte. Falls es Katze war, dann hatte sich sein Wunsch, einmal einen Schatten zu töten, am Ende doch noch erfüllt.
    Aber Jenien würde er nicht kriegen. Mit letzter Kraft kroch Paet auf die Tasche zu und bot dem Bel Zheret damit seinen ungeschützten Rücken. Eine Chance, die sich der Angreifer nicht entgehen ließ. Er trat Paet hart in die Nierengegend.
    Paet brach über der Tasche zusammen. Mit bloßen Händen zertrümmerte er Jeniens Kopf. Es war schwieriger als gedacht, doch nun würde Mab nie an ihre Geheimnisse gelangen.
    Der Bel Zheret kniete sich über ihn und begann in wohl bedachter Weise und ohne besondere Eile auf Paets Rücken einzustechen. Dann drehte er sein Opfer um und widmete sich dessen Gesicht. Paet fühlte, wie seine Nase zertrümmert wurde, dann brach sein Unterkiefer in zwei Teile. Zähne kullerten ihm auf die Zunge; einen verschluckte er. Er spürte, wie seine Rippen brachen, erst eine, dann zwei weitere. Etwas platzte in seiner Brust, und dann konnte er plötzlich nicht mehr atmen. Auch hörte er nichts mehr, bis auf das dumpfe Rauschen in seinen Ohren. Die Welt geriet ins Trudeln, das Klopfen, das Pochen, all das ebbte ab, um schließlich auf immer zu verstummen.
    Wenige Minuten später stolperte Traet, der Seelie-Botschafter im wahrsten Sinne des Wortes, über Paet. Er befand sich in Begleitung einiger Angestellter, die Koffer und Kisten schleppten, allesamt bis zum Platzen gefüllt mit Dokumenten.
    »Du liebe Güte!«, rief Traet aus und blickte auf die Leiche hinab. »Wie entsetzlich!«
    »Ist er noch am Leben?«, fragte einer der Angestellten und kniete sich neben den leblosen Körper.
    »Dafür haben wir jetzt keine Zeit«, brummte Traet und ging weiter. »Mit Verlusten muss nun mal gerechnet werden.«
    »Aber, mein Herr! Das ist Paet!«
    Mit aufgerissenen Augen wirbelte der Botschafter herum. »Dann hebt ihn auf! Schnell!«
    Der kniende Angestellte fühlte Paets Puls. »Er ist tot, mein Herr. Vielleicht sollten wir uns lieber nicht -«
    »Seid kein Narr«, erwiderte Traet. »Gebt mir euer Gepäck und nehmt ihn mit. Auf der Stelle!«
    Weder die Angestellten noch Traet bemerkten die Stofftasche, die Paet im Todeskampf entglitten war und nun in einem Gebüsch jenseits des Stadttores lag.
    Als die Gruppe um Botschafter Traet sicher durch die Schleuse auf die Plattform getreten war, öffnete der Portalmeister eine kleine Tür an der Seite des massiven Konstrukts. Nachdem er den Mechanismus der altertümlichen Maschine eingestellt hatte, mischte sich ein lautes Brummen in die Kakofonie der Kriegsgeräusche aus der umkämpften Stadt. Während ein Sextett aus äußerst entschlossen wirkenden
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