Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher
Autoren: Matthew Sturges
Vom Netzwerk:
noch immer in der Lage war, aufrecht zu stehen und - weitaus beunruhigender - sein Schwert zu schwingen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde sickerte die nackte Angst in Paets Bewusstsein, und er war sicher, dass er jetzt sterben würde. Gleich hier in dieser Gasse. Mit dem abgesägten Kopf einer Frau im Gepäck, mit der er mal geschlafen hatte, und all seiner Reue vergossen auf den nasskalten Pflastersteinen. Wo war Meister Jedron mit seinen klugen Sprüchen jetzt? Ob er wohl einen zum Thema »unausweichlicher Tod« in petto hatte? Mit Sicherheit, und mit Sicherheit kamen Worte wie Duldsamkeit und Stärke darin vor. Nun ja, besser in einer dunklen Gasse zu sterben als in einem zwielichtigen Verhörraum der Bel Zheret. Dort würden sie ihn foltern - langsam und effektiv -, und trotz seines Willenstrainings würden sie am Ende alles aus ihm herausholen, was sie wissen wollten. Mit ihren Zähnen.
    In der Gasse wurden Schritte laut. Zwei bullige Stadtwachen kamen auf sie zu, die Knüppel gezogen und einsatzbereit. Dennoch wirkten die beiden furchtsam und verkrampft. Man hatte ihnen wohl befohlen, bis zum bitteren Ende die Stellung zu halten und für Ruhe in der Stadt zu sorgen. Keiner der beiden wirkte sonderlich erfreut darüber.
    Katze wirbelte Paet herum und stieß ihn mit dem Gesicht voran hart gegen die Wand. Im nächsten Moment drang eine Messerklinge in seinen Rücken und durchbohrte etwas in Paets Körper. Eine Niere? Mit einem Ruck wurde das Messer in seinem Leib hochgerissen und traf auf einen harten Widerstand. Ein Rückenwirbel. Aufgrund seiner verbesserten Sinne seinen eigenen Körper betreffend, spürte Paet jedes qualvolle Detail, spürte, wie das Nervengewebe von der Klinge zerfetzt wurde wie Spinnweben. Wieder wurde er von hinten gestoßen und krachte mit der Nase voran in die Ziegelwand.
    Paet sackte zu Boden und sah, wie Katze sich daranmachte, die beiden Wachen abzuschlachten. Sie hatten kaum Zeit, erschrocken aufzukreischen, bevor er ihnen höchst methodisch zu Leibe rückte. Einer der wenigen Schwächen der Bel Zheret war, dass sie ein bisschen zu viel Gefallen daran fanden, anderen Schmerz zu bereiten; möglicherweise ein unerwünschter Nebeneffekt bei ihrer Erschaffung, wie immer die auch vonstattengehen mochte. Vielleicht aber auch - und das war weitaus schlimmer - eine durchaus beabsichtigte Eigenschaft.
    Mit dem letzten Rest seines re versuchte Paet, die zerstörten Nerven in seinem Körper zu reparieren, suchte sich einen Weg hinein zu der verletzten Niere und entsandte seine Heilkräfte in das Organ. Das waren und blieben tödliche Verletzungen, aber vielleicht würden sie ihn nun ein bisschen langsamer töten. Vielleicht hatte er ja noch Zeit, das Portal zu erreichen, bevor er starb. Er griff hinein in Blut von Arawn. Er suchte nach Leben, suchte nach re, das er stehlen konnte. Zwei Kinder in einem nahegelegenen Haus, zusammengekauert in ihren Betten. Er zog ihnen nur so viel re ab, wie er vermochte, ohne sie zu töten. Sie würden sich ein paar Tage schlecht fühlen, mehr nicht. Und so, wie die Dinge standen, war das noch ihr geringstes Problem. Falls unbedingt nötig, würde er diese Kinder töten, doch es war nicht nötig. Noch nicht.
    Während sich der Bel Zheret weiterhin mit den beiden Wachen vergnügte, verließ Paet die Gasse in der anderen Richtung so leise wie möglich. Vorsichtig nahm er die Tasche vom Boden auf, dann rannte er. Unerträgliche Schmerzen wüteten in der Messerwunde in seinem Rücken, ließen das gebrochene Handgelenk dagegen wie einen Kratzer erscheinen. Er spürte, dass sich in seinem Körper Flüssigkeiten miteinander vermischten, die sich nicht vermischen sollten, dass Blut in Bereiche hineinsickerte, in die es nicht gehörte. Trotz aller Bemühungen konnte es sein, dass er es nicht rechtzeitig schaffte.
    Wieder erwog er, Jeniens Kopf einfach zurückzulassen. Ein lockerer Pflasterstein könnte das Problem lösen. Mit ihm könnte er ihr Gehirn so zerschmettern, dass es nicht mehr auszulesen war. Aber das konnte er nicht tun. Sie zu töten, war schlimm genug gewesen. Und er wollte die Stofftasche auch nicht einfach in eins der brennenden Gebäude werfen, an denen er auf seiner Flucht vorbeikam.
    Die Uhr im Haupttempel schlug zur vollen Stunde, und Paet spürte, wie ihm das bisschen Blut, das noch in ihm war, in die Beine sackte. Die Port-Herion-Plattform würde bald geschlossen. Jeden Moment konnte es so weit sein. Und sie würden nicht auf ihn warten.
    Er rannte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher