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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen
Autoren: Tanja Heitmann
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aufgekreuzt bist. Aber dann habe ich mir gedacht, dass du bestimmt irgendwo mit Sam Händchen hältst und die Zeit vergessen hast. Also bin ich allein hoch zur Steilklippe - dahin, wo mir schon mal der größte Mist meines Lebens passiert ist. Und zack«, Rufus klatschte mit den Händen, »gibt es auch schon eine Zugabe. Schattenschwingen. Und meine kleine Schwester ist mit einem von denen quasi verheiratet. Unfassbar.«
    »Du solltest es nicht als Strafe ansehen, dass du jetzt über die Sphäre und ihre Bewohner Bescheid weißt. Außerdem wolltest du doch immer Sams bester Freund sein - nun hast du die Chance zu beweisen, dass du wirklich das Zeug dazu hast. Akzeptier ihn so, wie er ist.«
    Zuerst befürchtete ich, mein Bruder könnte mir einen Vogel zeigen und mich dann einfach stehen lassen. Stattdessen dachte er tatsächlich einen Augenblick nach. »Schwingen, andere Welten … Ich weiß nicht, ob ich das so einfach wegstecken kann. Außerdem hat Sam mir echt Angst eingejagt, wie er sich da auf diesen Asami gestürzt hat. Der hätte dem wirklich den Hals umgedreht, wenn der nicht rechtzeitig klein beigegeben hätte. Mit dem Sam aus der Schule hatte das nur noch wenig gemeinsam, der sah eher aus wie ein erbarmungsloser Racheengel.« Obwohl Rufus es sehr hart ausdrückte, schwang doch eine Spur von Respekt mit. Er presste seine Faust gegen den Magen, als habe er einen Stein verschluckt, der plötzlich zu rumoren begann. »Ich glaube, ich muss das alles erst einmal verdauen und etwas runterkommen. Dann sehen wir weiter. Und du solltest auch auf dich achtgeben, kleine Schwester.«
    Ich schnappte mir eine seiner Locken und zog daran. »Okay, großer Bruder.«
    Das schüchterne Lächeln, das ich dafür bekam, war eins der schönsten überhaupt. Vor lauter Überschwang hätte ich ihn fest drücken mögen, aber dafür wirkte Rufus noch zu angeschlagen. Er brauchte wirklich eine Ruhepause. Und die gönnte er sich schließlich auch: Nachdem er beim Abendessen die halbe Flasche Grappa, die er eigentlich als Geschenk für meine Eltern aus Italien mitgebracht hatte, im Alleingang niedergemacht hatte, sah er zweifelsohne etwas gelassener aus.
    Zur Feier des Tages hatte mein Vater sich von einem Kollegen einen Beamer ausgeliehen und zeigte eine ellenlange Doku über das Korallenriff in Australien. Ich konnte gerade so ein Grinsen unterdrücken, als ich sah, wie Rufus eingekeilt zwischen unseren Eltern auf dem Sofa saß und mit glasigem Blick das Unterwasserparadies anstierte. Daniel und Reza waren so glücklich und zufrieden wie schon lange nicht mehr, während es Rufus gelang, sich allmählich zu entspannen. Bestimmt würde er noch eine Zeit lang daran zu knabbern haben, dass die Realität nicht ganz so übersichtlich war, wie er bislang geglaubt hatte, aber irgendwie würde er damit zurechtkommen. Vielleicht würde er sogar Sam verzeihen, dass er ihn einer solchen Höllentour ausgesetzt hatte.
    Mittlerweile lag der Garten im Dämmerlicht und ich konnte den Wunsch hinauszugehen, nicht länger unterdrücken - selbst, wenn es noch einen Moment dauern würde, bis Sam kam.
    »So, ihr Lieben. Ich hab genug für heute«, verabschiedete ich mich unauffällig.
    Allein Rufus warf mir einen prüfenden Blick zu, entschied sich dann aber rasch dazu, es lieber nicht so genau wissen zu wollen. Kurz zögerte ich. Etwas zwischen uns hatte sich seit der letzten Nacht verändert. Das Bild von uns beiden als großem Bruder und kleiner Schwester war nicht kaputtgegangen, stellte ich erleichtert fest. Es war allerdings vielschichtiger geworden, als wäre nicht länger glasklar zu erkennen, wer hier auf wen aufpasste. Vielleicht lag es daran, dass die Bezeichnung »klein« in vielerlei Hinsicht nicht mehr mit mir übereinstimmte. Ich war zwar noch lange nicht erwachsen, aber ich war reifer geworden und stark genug, um meinem Bruder das Gefühl zu vermitteln, dass alles gut werden würde. Auch wenn ich es selbst nicht so recht glaubte.
    Ich spazierte über die Gartenwege und versuchte herauszufinden, von welcher Blume die Düfte stammten, die mir in die Nase stiegen, und welchen Weg die Schnecke mit dem braun geringelten Häuschen wohl einschlagen würde. Pingpong begleitete mich - vielmehr, sie führte mich, denn sie ging mit hoch erhobenem Schwanz vor mir her. Gelegentlich drehte sie sich um und maunzte mich auf ihre Katzenart an. Es klang wie »Kommando: weitergehen!« oder »Kommando: Katze kraulen!«. Belustigt folgte ich ihr und zupfte
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