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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz
Autoren: Rose Gerdts
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einem traditionellen Bremer Gericht, «… Labskaus zu bestechen?»
    Die Frau schüttelte den Kopf. Aber in ihren Augen blitzte der Schalk früherer Jahre. Ganz offensichtlich genoss sie es, die beiden Besucher einen Augenblick lang im Ungewissen zu lassen.
    Im selben Moment hörten sie eine Stimme, die zaghaft rief. «Frau Asendorf? Sind Sie da oben?»
    Bevor sie antworten konnte, stand auch schon eine etwa 40-jährige Frau in der Wohnung. Die Frau hatte perfekt frisierte braune Haare und trug dazu ein beiges Kostüm und beige Schuhe mit halbhohem Absatz und goldenen Schnallen. Am rechten Armgelenk baumelte ein goldenes Armband. Alles an der Frau schien zueinander zu passen – nur ihre Nervosität nicht.
    «Frau Asendorf … Gott sei Dank sind Sie hier und nicht im Garten. Dieser komische Mann von letzter Woche ist wieder da. Sie wissen schon … Er verbuddelt gerade etwas bei der Rotbuche.»
    Fragend sah Steenhoff die alte Frau an.
    «Ein Drogenabhängiger, der unseren Vorgarten leider ab und an als Versteck für sein Rauschgift benutzt», erklärte Luise Asendorf gelassen. «In unserem bunten Viertel wird ja so viel gedealt. Darf ich vorstellen, das ist Alexandra Künnicke.»
     
    Doch der Bankangestellten aus dem ersten Obergeschoss stand nicht der Sinn nach höflichen Vorstellungsrunden. Sie gab eine Nummer in ihr Handy ein und sagte aufgeregt: «Ich rufe die Polizei.»
    «Nicht nötig. Die ist schon da», sagten Steenhoff und Petersen wie aus einem Munde. Petersen wollte schon loslaufen, als Steenhoff sie festhielt. «Ich übernehme das heute. Guck du dich hier weiter in Ruhe um.»
    Er schob Luise Asendorf sanft beiseite, nickte ihr freundlich zu und lief die Treppe hinunter.
     
    Noch am selben Abend unterzeichnete Petersen den Mietvertrag.
    Seitdem pflegte sie gern im Präsidium zu erzählen, dass sie ihr neues Zuhause einem kleinen Drogendealer aus dem Ostertorviertel verdanke.
     
    Am Umzugstag waren Frank Steenhoff und Manfred Rüttger die letzten Helfer, die sich spätabends verabschiedeten. Der Brandsachermittlern nahm sogar das Altglas der Feierabendbiere wieder mit. Als Petersen die Tür öffnete, wollte sie protestieren, doch Manfred Rüttger winkte in seiner freundlich-bedächtigen Art ab. «Nun gönn mir doch das schöne Gefühl, auch mal etwas gelöscht zu haben.»
    Lachend schloss Navideh hinter ihnen die Tür und schritt langsam durch alle Räume ihrer neuen Wohnung. Noch waren alle Wände nackt. In einer Ecke hatten die Männer mehrere unausgepackte Kartons übereinandergestellt. Dennoch strahlte das Wohnzimmer mit seinen Schrägen, dem Balkon zur Weser und der Glasfront eine große Behaglichkeit aus.
    Mein neues Zuhause, dachte sie feierlich. Im gleichen Moment wurde ihr klar, dass es das erste Mal war, dass sie seit der überstürzten Flucht mit ihrer Familie aus dem Iran so empfand. Sie fühlte sich in der Dachgeschosswohnung, als wäre sie nach all den Jahren endlich angekommen.
    Merkwürdig, dachte Navideh irritiert, dabei ist Jorges gerade erst vor ein paar Tagen in die USA abgereist.
    Alle Welt schien sie deshalb zu bedauern. Dabei ging es ihr nicht schlecht. Sie schickte Jorges noch eine SMS in die USA und freute sich auf die nächsten Tage, an denen sie freigenommen hatte, um ihre Wohnung einzurichten.
    Die Kollegen würden gut ohne sie auskommen. Seit Wochen gab es kein größeres Verbrechen in Bremen. Auch die gewalttätigen, arabischen Clans schienen eine Pause eingelegt zu haben. Petersen dachte an Manfred Rüttger. Die Mordermittler hatten ihn, als sie nach getaner Arbeit mit einem Bier auf die neue Wohnung anstießen, mit seinen vielen Brandfällen pro Woche aufgezogen.
    «Ich weiß gar nicht, was ihr wollt», hatte Rüttger gut gelaunt gekontert. «Ich stapfe mit meinen Kollegen immer nur durch Schutt und Asche und nicht wie ihr durch Blut.» Mit der Hand, in der er seine Bierflasche hielt, hatte er auf Steenhoff gezeigt. «Rein statistisch seid ihr längst überfällig. Irgendwann in den nächsten Wochen, Frank, wenn ich mein Feierabendbier genieße, kommt ihr nicht mehr aus den Stiefeln.»
    Steenhoff hatte gelacht. Und auch Navideh Petersen konnte nicht ahnen, wie schnell Rüttger recht behalten würde.

[zur Inhaltsübersicht]
    04
    Tatsächlich schliefen sowohl Steenhoff als auch Petersen noch, als sich am frühen Morgen ein anonymer Anrufer bei der Einsatzzentrale der Feuerwehr meldete.
    Keine Minute hatte der Unbekannte für seine Warnung benötigt. Dann brach die
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