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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte
Autoren: Tami Hoag
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einen Bekannten gesehen«, sagte sie, überrascht, wie dumm sich das sogar in ihren Ohren anhörte.
    Der Detective hob seine dichten Augenbrauen. Er war um die vierzig, sah gut aus. Wirkte anständig. Seine Hose war gebügelt. Er trug Jackett und Krawatte.
    »Und diesem Bekannten jagten Sie mit Ihrem Auto hinterher?«, fragte Mendez. »So etwas sieht man bei uns nicht gern, Ma’am.«
    »Natürlich nicht«, sagte sie. »So etwas sieht man auch in Santa Barbara nicht gern.«
    Das hier ist die Wirklichkeit, Lauren, nicht French Connection . Verfolgungsjagden gibt es nur in Filmen. Was stimmt eigentlich nicht mit dir?
    Der Detective schien nicht zu wissen, was er tun sollte. »Kommen Sie, wir unterhalten uns in meinem Auto weiter.«
    Über Funk gab er ihre Führerscheindaten durch und fragte etwas in diesem typischen Polizeikauderwelsch, wahrscheinlich, ob irgendetwas gegen sie vorlag. In Santa Barbara hatten sie bestimmt eine dicke Akte über sie angelegt. Sie war praktisch Stammgast beim Sheriff und bei der Polizei gewesen. Jeder dort würde ihm sagen, dass sie eine schreckliche Nervensäge und ein Kotzbrocken sei – Titel, die sie mit einem gewissen Stolz trug.
    »Was führt Sie nach Oak Knoll, Mrs. Lawton?«
    »Meine Tochter und ich sind kürzlich hierhergezogen.«
    »Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?«
    »Ich bin Inneneinrichterin.«
    »Und Ihr Mann?«
    Er hatte den Ring an ihrem Finger bemerkt. Sie hatte ihren Ehering nicht abgelegt. Auch wenn Lance tot war, sie würde immer mit ihm verheiratet sein.
    »Mein Mann lebt nicht mehr.«
    »Das tut mir leid.«
    Sie wusste nie, was sie auf Beileidsbekundungen erwidern sollte. Danke war lächerlich. Was sollte sie mit dem Mitleid von Leuten anfangen, die sie nicht kannte, die ihren Mann nicht gekannt hatten?
    Das Funkgerät gab irgendein unverständliches Gebrabbel zurück. Mendez antwortete mit einem knappen »Zehn-vier«.
    »Ihr Name kommt mir bekannt vor.«
    Lauren lachte bitter. An diesem Punkt nahmen die Gespräche eine Wendung zum Schlimmeren. »Kann sein, ich bin berühmt. Oder berüchtigt – je nachdem. Meine Tochter Leslie wurde vor vier Jahren entführt.«
    Mendez nickte, als er sich erinnerte. »Der Fall wurde bislang nicht abgeschlossen.«
    »Ja.«
    Es klang so nüchtern, wie er es sagte, so ungerührt. Der Fall. Als wäre das, was geschehen war, ein Buch, das geöffnet, betrachtet und dann wieder geschlossen und ins Regal zurückgestellt werden konnte. Ihr Leben war so viel schwieriger, nichts passte mehr zusammen, jeder Tag war eine Qual. Der Fall war nicht abgeschlossen. Ihre Tochter wurde immer noch vermisst.
    »Sie sagen, Sie sind kürzlich hierhergezogen. Haben Sie Freunde in Oak Knoll?«
    »Nein, ich kenne eigentlich niemanden hier.«
    »Wen glaubten Sie dann, gesehen zu haben?«, fragte er. »Wem wollten Sie folgen?«
    »Dem Mann, der meine Tochter entführt hat.«
    Er befürchtete, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
    »Er heißt Roland Ballencoa. Ich dachte, ich hätte ihn im Supermarkt gesehen«, erwiderte Lauren, »und dann fuhr er auf dem Parkplatz direkt an mir vorbei.«
    »Welches Auto fuhr er?«
    »Einen braunen Kastenwagen.«
    »Haben Sie das Nummernschild erkannt?«
    »Nein.«
    »Warum sitzt er nicht im Gefängnis, wenn Sie wissen, dass er Ihre Tochter entführt hat?«
    Das Gefühl der Niederlage sank tonnenschwer auf sie herab. Von dem Adrenalinschub war nichts mehr zu spüren. Detective Mendez würde ihr nicht helfen. Niemand würde ihr helfen. Roland Ballencoa war ein freier Mann.
    »Weil es nicht die Spur eines Beweises gegen ihn gibt«, sagte sie resigniert. »Wenn Sie mir einen Strafzettel geben wollen, wäre es nett, Sie würden sich damit beeilen. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    »Ich weiß nicht genau, was ich mit Ihnen machen soll, Mrs. Lawton«, bekannte Mendez. »Ich weiß nicht, ob ich Sie wieder hinters Steuer lassen soll.«
    »Wollen Sie, dass ich eine Linie entlanggehe?«, fragte sie. »Die Augen zumache und die Spitze meiner Nase berühre? Ich bin vollkommen nüchtern«, sagte sie. »Ich blase auch gerne ins Röhrchen. Wenn Sie wollen, können Sie mir auch eine Blutprobe abnehmen. Ich habe weder Alkohol noch irgendwelche Drogen oder Medikamente zu mir genommen.«
    »Sie dachten, Sie hätten diesen Mann im Supermarkt gesehen, und nehmen mich deshalb mit Ihrem Einkaufswagen auf die Hörner«, erklärte er. »Sie sind einem Mann in einem Kastenwagen gefolgt und hätten dabei beinahe ein halbes Dutzend
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