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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Jörg S. Gustmann
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glaubte sie doch an seine Ideale, hielt seine Geschichten über die Verschwörer für wahr und wähnte sich als wichtiges Rädchen in einem großen Abenteuer. Sie wusste weder, wer er wirklich war, noch, ob in ihm dieses Maß an Zuneigung zu ihr loderte, die er ihr vorspielte. Mit welchen Lügen er sie geködert hatte, um diese Hörigkeit zu bewirken, blieb bis heute ein Geheimnis. Sie bekam von ihm genau den Eindruck, den sie bekommen sollte. Ein Opfer seines Täuschungsvermögens, dem schon viele erlegen waren. Dutroit war ein Chamäleon, ein Mehrgesichtiger, ein Gollum, wie ihn einst Tolkien aus seiner Fantasie heraus schuf, nur dass Dutroit real war und weit mehr als nur zwei Persönlichkeiten besaß. Natürlich ahnte sie nicht, dass sie eine Schachfigur in einem gefährlichen Spiel war. Ein einfacher Läufer, den man bald vom Brett kicken würde.
    »Ich schaff das nicht. Ich piss mir gleich in die Hose.« Es rauschte in der Leitung.
    Dutroit griff sich ans Ohr. »Bleib ruhig, Schatz. Du kannst das! Du machst das perfekt. Du hast alle Zeit der Welt. Alle Plätze im Restaurant sind besetzt. Sokolow ist gerade auf dem Klo und die Bundeskanzlerin quatscht mit Rosenthal, ihrem Nachfolger. Zumindest vermute ich, dass die Bilderberger ihn an diesem Wochenende einsetzen werden. Also geh jetzt rein! Es ist wirklich wichtig!«
    »Aber wenn man uns erwischt?« Annette schob den Wagen in den Flur des zweiten Stockwerks. Die Rollen glitten lautlos über weichen Samt. Einzig ihr Gejammer war leise zu hören. Ihre Knie in schwarzen Nylonstrümpfen zitterten.
    »Mach jetzt nicht alles kaputt!«, zischte Dutroit in sein Mikro. »Ich habe Monate dafür gebraucht, um so weit zu kommen. Denk an die Millionen, Costa Rica, Pina Colada. Geh jetzt rein, verdammt!«
    »Okay, ich mach ja schon. Ich fang bei Rosenthal an.«
    »Hast du die Liste?«
    »Ja.«
    »Gut. Beeil dich. Mach zuerst die Fotos von den Unterlagen, dann fang sofort an zu putzen. Und sieh auch im Bad nach.«
    »Ja, ja, ich weiß.«
    Das Zimmermädchen wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und legte einige Haarsträhnen hinter das Ohr. Sie nahm die weißen Baumwollhandschuhe zur Hand und streifte sie über. Mit der Generalkarte öffnete sie das Zimmer des designierten Bundeskanzlers. Fahrig fingerte sie die Kamera zwischen Handtüchern und Fußmatte hervor und schloss die Tür hinter sich. Ihr Puls raste und sie atmete flach und hastig in die Brust hinein, als sei sie auf der Flucht.
    Wie ihr befohlen war, suchte sie konzentriert, aber ängstlich nach Papieren, die im Zimmer vergessen worden waren oder vom Vortag stammten. Alles Verwertbare wurde fotografiert: handgekritzelte Notizen, Memos, Namen, alles, was zu einem großen Puzzle zusammengesetzt werden könnte. Beweise, die den elitären Club der angeblich unbescholtenen Männer und Frauen in die Luft sprengen könnten.
    Im Bad forschte sie in der Reiseapotheke nach Tabletten, Drogen oder Medikamenten, die man im Falle eines Falles als Druckmittel gegen den Konsumenten einsetzen würde. Die Teilnehmer wollten als gewöhnliche Menschen erscheinen, die sie natürlich nicht waren. Sie standen unter einem gewaltigen Druck und griffen gelegentlich zu Stimulanzien, an die sich ein Körper schnell gewöhnt. Annette wusste, wonach sie zu suchen hatte. Weißes Pulver in irgendwelchen Röhrchen und Tütchen, Spritzen, rosa Tabletten, Amphetamine oder andere Aufputschmittel, die einen Politiker als Junkie diffamieren könnten.
    Sie nahm die Kamera und knipste alles, was sie nicht kannte und was ihr darüber hinaus als bedeutsam erschien. Sie war ein Mädchen mit großen Träumen, das sich in den falschen Mann verliebt hatte.
    Dann ging sie ins Schlafzimmer, schlug die Bettdecke zurück, kramte in den Ritzen, unter dem Kissen, strich mit zarter Hand über das Laken, darauf bedacht zu ertasten, was dort möglicherweise nicht hingehörte. Sie zog die Schubladen der Kommode auf und suchte nach Zetteln oder losen Blättern. Sie fand ein Lesezeichen in einem Buch, eine abgerissene Blattecke, eine Notiz, bestehend aus einer siebenstelligen Nummer, in dem Roman von Martin Suter ›Der Koch‹. Die Kamera klickte und der Zettel verschwand wieder zwischen den Seiten.
    Zügig machte sie das Bett mit erlernter Perfektion, allzeit bereit, einem unerwartet hereinkommenden Gast unschuldig, mit üppigem Dekolleté , entgegenzulächeln.
    Ein Blick auf die Uhr verriet, dass sie zu langsam war. Sieben Zimmer hatte sie noch vor
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