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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Jörg S. Gustmann
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letztes Mal eingehend instruiert worden: kein Wort über die Konferenz an andere Personen, einschließlich Familie und Freunde. Keine Fotos, keine an die Gäste gerichteten überflüssigen Fragen und zum hundertsten Mal: absolute Verschwiegenheit, besonders gegenüber neugierigen Reportern. Ansonsten würde dies für jeden Schwätzer weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Die Presse ließ man in gezielt lancierten Mitteilungen nur wissen, was von höchster Stelle beschlossen worden war: belangloses Zeug, allgemeine Formulierungen, leere Worthülsen, gewissermaßen so wie immer.
    Die neue Medienpolitik lautete: schaffe eine Pseudotransparenz. Zeige den Leuten, dass es nichts Geheimes und vor allem nichts Verschwörerisches an diesen Konferenzen gibt. Dass keine Beschlüsse, die das Weltgeschehen bestimmen, getätigt werden, sondern nur harmlose Diskussionen über den Weltfrieden, das Klima und die Verständigung unter den Völkern. Ein Treffen, geprägt von tiefem Altruismus im Dienste der Menschheit.
    Vollständige Verschwiegenheit indes war schwer realisierbar. Immer wieder mal kam es vor, dass sich unter den Teilnehmern solche befanden, die ihrer blühenden Profilneurose zum Opfer fielen und sich damit brüsteten, dass sie auf der Gästeliste standen. Ein Glas Champagner oder zwei, ein Whiskey, eine Prostituierte oder zwei im Bett und schon plauderten manche ungehemmt, als hätte man ein Geldstück eingeworfen und auf START gedrückt. Ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse, der für interne Informationen kein Betrag zu hoch war. Ein Baustein auf diesem neuen Weg der Täuschung war zwar die rechtzeitige Ankündigung aller teilnehmenden Gäste, ohne jedoch den Tagungsort zu nennen. Diesen verlautbarte man erst nach dem Stattfinden des Treffens, sodass man sich für lächerliche drei Tage von der Außenwelt abgeschirmt wähnte.
    Somit war 2010 den meisten Journalisten der Austragungsort der Bilderberger-Konferenz im Vorfeld nicht bekannt, bis auf eine Ausnahme. An alles hatte man gedacht, nur nicht daran, dass es einen Mann gab, dem es egal war, wie die Geschichte für ihn persönlich ausgehen würde. Jemand, der nichts mehr zu verlieren hatte, ein Idealist, ein Verrückter, ein Hasardeur, der seinen Kopf riskierte, um eines zu tun: die Welt endgültig und umfassend über die Wahrheit zu informieren. Ihnen zu sagen, ja zu beweisen, dass es keine Sicherheit gab, keine Freiheit, keine Anonymität und vor allem – kein Selbstbestimmungsrecht.

    *

    Marcel, Louis, Karl, Frank, Phillip oder wie auch immer er sich nannte, versteckte den Knopf in seinem Ohr und bereitete sich vor. Von allen anderen Mitarbeitern im feinen Sechs- Sterne- Hotel ließ er sich nur mit einem Nachnamen, einer Art Künstlernamen, ansprechen. Für sie war er nur ›Monsieur Dutroit‹. Er mochte diesen Namen und hatte sich schon ein wenig daran gewöhnt. Ein französischer Dialekt, antrainiert, aber sympathisch, und ein feiner, zierlicher Schnurrbart, unmittelbar über der Oberlippe, rundeten seine Identität ab. Seit Jahren war er den Bilderbergern auf der Spur und nun sollte seine große Chance kommen. Viele Monate der Vorbereitung gipfelten in diesen fünfzig Stunden, die vor ihm lagen. Die Wanzen und Kameras der neusten Generation waren äußerst schwer zu orten und er hatte sie in unscheinbaren Ecken, Sträuchern, an Skulpturen, manche flach auf Bildern, mitten auf der Pupille des Porträtierten, versteckt. Die Installation hatte er vorgenommen, nachdem das Sicherheitspersonal die Räume gecheckt hatte. Alles in allem würden die Sprach- und Videoaufzeichnungen ein nettes Bild des wahren Ausmaßes der Verschwörung geben, die hier stattfand, und er, ›Monsieur Dutroit‹, würde es der Welt, womöglich sogar unter seinem richtigen Namen, feierlich präsentieren. Könnte er dann noch pikante Details aus dem Leben der Teilnehmer vorlegen, umso besser.

    *

    Annette startete ihren Rundgang. Sie hatte einen Empfänger im Ohr und ein Smartphone mit hochauflösender Kamera in ihrem Servicewagen versteckt. Sie war das Zimmermädchen und kurze Zeit, nachdem Dutroit als Koch im Hotel Etoile Saint Honoré begonnen hatte, war sie seine Geliebte geworden. Ihm verfallen mit Haut und Haar und besessen von dem verlockenden Gedanken an Ruhm und Reichtum. Gleichzeitig bewunderte sie ihn für seinen Mut, seine Hingabe an die Wahrheit und seine Unangepasstheit, die ihrem eigenen Lebensstil nahe kam. Nicht mit übermäßiger Intelligenz gesegnet,
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