Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
weinen, und die Melodie klang freundlicher als zuvor.
    Und irgendwie leichter, dachte Laura, so als hätte jemand eine Last von sich geworfen.
    Trotz der frühen Stunde drängten sich die Krii auf der Brücke vor der Flöte. Es waren deutlich mehr als am Vortag, und auch die Stimmung war eine andere, freudiger und weniger angespannt als zuvor.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Finn. Er presste einen Arm an seine Hüfte, als habe er Angst, den Dolch zu verlieren.
    »Da ist Breynu, fragen wir ihn.« Laura bahnte sich einen Weg durch die Menge. Die Krii ließen sie durch, begrüßten sie dabei freundlich oder versuchten, sie in ein Gespräch zu verwickeln.
    Breynu drehte sich um, als Laura ihm die Hand auf die Schulter legte.
    »Du bist gestern Nacht nicht wieder in dein Haus gekommen«, sagte sie. »Es tut mir leid, wenn wir dich vertrieben haben.«
    »Ich wollte ja zurückkommen.« Breynus Augen leuchteten. »Aber dann habe ich die Neuigkeiten gehört und bin sofort hierher geeilt.«
    Laura hob die Augenbrauen. »Was denn für Neuigkeiten?«
    »Ihre Majestät lässt ab jetzt alle vor, die sie mit einer Darbietung erheitern wollen. Meroyan entscheidet nicht mehr darüber, wer gut genug für sie ist und wer nicht.« Er lächelte. »Ich lebe zwar bald auf der vierten Ebene, aber dieses Privileg ist mir gar nicht so wichtig. Ich möchte, dass Ke-Amarihye sieht, wie hart ich daran arbeite, ein guter Kristallspieler zu werden. Einige ermunternde Worte von ihr bedeuten mir mehr als hundert Anwesen.«
    »Dann wünsche ich dir Glück«, sagte Laura. »Und mach dir keine Sorgen. Die Königin hat Nidi gehen lassen. Es ist alles wieder gut.«
    Breynu war sichtlich erleichtert. Laura verabschiedete sich von ihm, dann kehrte sie zu ihren Gefährten zurück.
    »Sie lassen alle rein, die hier stehen«, sagte sie leise. »In dem Chaos sollten wir kaum auffallen.«
    Sie nickte Nidi zu. »Versteck dich unter Milts Jacke, wenn wir reingehen. Ke-Amarihye hat dich zwar ziehen lassen, aber wer weiß, ob sie ihre Meinung inzwischen nicht geändert hat.«
    »Unter Milts Jacke stinkt’s aber«, sagte Nidi.
    Milt verdrehte die Augen. »Dann halt die Luft an.«
    Trotzdem roch er kurz unter seinen Armen, bevor er den Kopf schüttelte.
    In die Menge kam Bewegung. Die Tore wurden geöffnet.
    »Es geht los«, sagte Finn.
    Laura kratzte sich am Rücken.

    Es herrschte Chaos. Krii drängten sich in dem breiten Gang. Überall wurde musiziert, gesungen, geredet und jongliert. Laura kam es so vor, als wären sie in die erste Runde einer Castingshow geraten. Sie und die anderen fassten sich an den Händen, um einander nicht zu verlieren. Während sie sich durch die Menge schoben und jeden Gesprächsversuch der Krii höflich ablehnten, entdeckte sie Meroyan. Der Generalunterhalter und Berater stand mit dem Rücken zur Tür des Thronsaals, umgeben von seinen Adjutanten. Immer wieder schüttelte er den Kopf, als könne er nicht glauben, was sich um ihn herum abspielte.
    Laura drückte Milts Hand, erregte so seine Aufmerksamkeit. »Die Treppe dahinten rechts führt nach oben«, rief sie über die Stimmen eines Chors hinweg.
    Er nickte. Unter seiner Jacke sah Laura eine kleine Beule. Trotz seiner Proteste hatte Nidi sich dort versteckt.
    Je weiter sie nach vorn kamen, desto langsamer ging es voran. Die Krii hielten sie zwar nicht auf, aber sie standen so dicht zusammen, dass jeder Schritt zu einer Herausforderung wurde. Laura versuchte, niemandem wehzutun, konnte aber nicht verhindern, dass sie hin und wieder jemandem auf die Füße trat.
    »Aua!«, schrie eine Frau neben ihr plötzlich. Sie hielt ein seltsam aussehendes, gläsernes Musikinstrument in der Hand. Laura entschuldigte sich und ging weiter. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Meroyan zu ihr herübersah. Sie glaubte allerdings nicht, dass er sie in dem Chaos erkannte.
    Dann endlich schloss sich ihre Hand um das gläserne Geländer der Wendeltreppe. Sie zog sich daran nach oben und atmete auf, als sie auf einmal frische Luft auf dem Gesicht spürte.
    »Rasch nach oben«, sagte Milt hinter ihr. »Bevor uns jemand bemerkt.«
    Sie übernahm die Führung. Die gläsernen Stufen waren durchsichtig, und es kam ihr so vor, als stiege sie durch die Luft nach oben. Unter ihr gähnte ein Abgrund, der sich in der Dunkelheit verlor.
    Nicht nach unten sehen, dachte sie, als plötzlicher Schwindel die Welt verschwimmen ließ. Sie blieb einen Moment stehen und umfasste das Geländer mit beiden Händen, um ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher