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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Autoren: Christine Liew
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Bohnen gibt. Dazu gibt es eine leichte Brühe mit Klößen aus Mochi, klebrigen Reiskuchen. Mochi gab es früher nur für die Götter. Heute sind sie fixer Bestandteil des festlichen Speiseplans und das hat leider seinen Preis. Jedes Jahr ersticken rund ein Dutzend Japaner an den klebrigen Klößen, besonders für die ganz Alten und die ganz Jungen birgt die „Götterspeise“ ein hohes Risiko, denn sie können sie nicht richtig kauen. Der berühmt-berüchtigte Kugelfisch Fugu hat übrigens längst nicht so viele Menschen auf dem Gewissen. Aber das nur am Rande, an Neujahr soll man feiern und keinen negativen Gedanken nachhängen, geschweige denn, sie aussprechen. Das bringt fürs neue Jahr nur Unglück. Hat man das Frühstück also munter überstanden, kommen delikate, rot lackierte Schalen auf den Tisch. Es wird aufs neue Jahr angestoßen und auf die Neujahrspost gewartet. Besuch sollte erst am zweiten Feiertag eintreffen, am 1. Januar bleibt man in der Familie. Kinder haben jedoch gar nichts gegen reichlich Besuch. Bekommen sie doch von jedem Gast kleine Geldumschläge ( Toshidama, Geldschatz) überreicht. Früher musste das fürs ganze Jahr als Taschengeld reichen, heute gibt es neben Geld oftmals noch üppige Geschenke. Auch wir mussten unseren Professoren die Ehre erweisen. Erst wurden die offiziellen Neujahrswünsche ausgetauscht, sich proper verbeugt und entschuldigt für armselige Geschenke und dann gab es Suppe, Mochi und vor allem Sake. Die alten Herren verräucherten ihr Wohnzimmer und wurden immer betrunkener, amüsierten sich aber großartig. Nach spätestens zwei Stunden brachen wir wieder auf und weiter ging es zum nächsten Haus. Es hätte eine lustige Sache sein können, so von Familie zu Familie zu ziehen. Doch ich fand den Smalltalk mit den verehrten Lehrern und ihren Gattinnen immer extrem anstrengend, wir feierten schließlich schon seit zwei Tagen ununterbrochen. Als Frau hatte ich noch nicht mal die Möglichkeit, mich selbst unter den niedrigen Tisch zu trinken und musste mich brav mit süßem Apfelsaft aus der Dose begnügen.
    Während der Neujahrsfeiertage geht es mit der festlich gekleideten Familie auch zum ersten Schreinbesuch im neuen Jahr. Bei diesem Hatsumode kauft sich jeder ein Horoskop und hofft auf ganz viel Glück. Sollte sich das Orakel als Niete herausstellen, knotet der Pechvogel den Zettel kurzerhand an den nächsten Baum und bindet das Unglück so an den heiligen Bezirk. Wer etwas ganz Spezielles im neuen Jahr plant, etwa Premierminister zu werden oder ein Haus zu bauen, kauft sich eine Daruma-Figur aus Pappmaché. Die arm- und beinlose Figur stellt den Zen-Mönch Bodhidharma dar. Der soll so lange vor einer Felswand meditiert haben, bis ihm sämtliche Gliedmaßen abfielen. Zuvor hatte er sich noch die Augenlider abgerissen, um nicht einzuschlafen. Diesem Gesellen malt man nun ein Auge und vertraut ihm das Ersehnte an. Geht der Wunsch in Erfüllung, bekommt Daruma ein zweites Auge und wird anschließend vom Schrein oder Tempel verbrannt. Das geschieht gewöhnlich am Abend vor dem „Kleinen Neujahrsfest“ Mitte Januar. Das wird im nördlichen Sendai besonders groß mit dem sogenannten Dontosai-Festival am 14. Januar gefeiert. Aus der ganzen Stadt laufen Gruppen von halbnackten Männern und spärlich bekleideten Frauen sternförmig zum größten Schrein der Stadt, dem Osaki Hachimangu. Nach Neujahr wird es im Norden gewöhnlich richtig kalt, trotzdem herrscht nie ein Mangel an Teilnehmern. Seit 300 Jahren erhoffen sich die tapferen Läufer so Gesundheit und Götterschutz für das neue Jahr. Wir wohnten ganz in der Nähe des Schreins und kamen immer zum großen Feuer, an dem sich die Läufer im Lendenschurz nach dem Run durch die bitterkalte Winternacht wieder aufwärmten. Zuvor wurden sie vom Priester gesegnet und mit heißem Sake von innen gewärmt. In manchen Jahren laufen auch Ausländer mit, ich habe mich allerdings immer erfolgreich davor gedrückt.
    Bis zum 5. Januar waren früher sämtliche Geschäfte Japans geschlossen. Erst dann setzte der Alltag langsam wieder ein. Heute rückt das Datum immer weiter nach vorne, manche Supermärkte öffnen gar schon wieder am Nachmittag des 1. Januars. Um die Kunden möglichst rasch wieder zum Shoppen zu bewegen, beginnt das neue Jahr mit einem großen Ausverkauf der etwas ungewöhnlichen Art. Waren werden nicht einfach günstiger angeboten, der Käufer muss sie „blind“ erstehen. In besonderen Überraschungstüten oder besser
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