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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Autoren: Christine Liew
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Als Studenten wurden wir mit Salatöl und Waschpulverpackungen in Präsentkörben von den ehrenamtlichen Betreuerinnen der Fakultät geradezu überschüttet. Das gute Fleisch aber haben sie immer selbst gegessen.
    Ist das Kartenschreiben und der Hausputz erledigt, sind Türeingang, Hausschrein und auch das Auto mit Glück bringender Dekoration versorgt, kocht die Hausfrau noch die letzten Leckereien für die kommenden Tage. Früher ruhte während der Feiertage sämtliche Arbeit. Es galt also, in großen Mengen vorzukochen. Heute bestellt man ohne zu zögern Spezialitäten und fügt einige traditionelle Familienrezepte hinzu. Der Mann vom Lieferservice, der beinahe unsere gesamten Lebensmittel brachte, empfahl mir eine zeitige Bestellung. „Ich muss die Order Anfang Dezember haben, dann kommt noch alles pünktlich an.“ Er verteilte wunderschöne Kataloge mit Festtagsessen in allen Preislagen. An seinem LKW traf sich einmal die Woche die Nachbarschaft, um die Waren entgegenzunehmen. In großen Styroporkisten kühlten Eispackungen Milchprodukte, Fleisch und Gemüse. So halten es beinahe alle japanischen Familien, denn der wöchentliche Bringservice kostet nur knapp zwei Euro und auch die Warenpreise entsprechen derer günstiger Supermärkte. Im Treppenhaus sortierten wir dann die Bestellungen und hatten immer Muße, über die Vor- und Nachteile der Saisonangebote zu diskutieren.
    Da westliches Essen zu Neujahr als absoluter Stilbruch gilt, tauchen neben der klassischen japanischen Küche als Alternative verstärkt chinesische Gerichte auf. Doch das Interesse meiner Nachbarn blieb gering. „Wir brauchen nichts für die Feiertage, wir sind nicht da.“ Letztendlich blieb nur ich mit meinem Bestellzettel für die Feiertage übrig und der Fahrer lächelte mich ein wenig mitleidig an. „Arme Ausländer“, dachte er wohl, „fern der Heimat müsst ihr ganz allein Neujahr verbringen.“ Dabei hatten wir eigentlich die größte Heimwehgefahr – Weihnachten im Schnelldurchlauf ohne deutsche Festtagsstimmung – schon hinter uns gebracht! Sicherlich, in Deutschland vermissen viele Leute das Flair deutscher Weihnacht überhaupt nicht. Wenn man aber so richtig weit weg ist, ist alles anders. Allein der Duft von Lebkuchen treibt einem dann Tränen in die Augen. Trotzdem freute ich mich auf Neujahr, denn O-shogatsu ist ein wenig wie Weihnachten, ohne Tannenbaum aber mit ganz viel Gefühl.
    Ähnlich wie am deutschen Heiligabend kehrt in Japan am Silvesternachmittag Ruhe ein. Der Verkehr wird immer spärlicher und die letzten Geschäfte lassen ihre Rollos runter. Es wird endlich einmal still in Japan.
    Die Kinder sind heimgekehrt zu den Eltern. Lassen sie auch das ganze Jahr kaum etwas von sich hören, an Silvester stehen sie brav auf der Matte. Oma und Opa sind da, die verwitwete Tante auch. Man lümmelt gemeinsam vor dem Fernseher herum, schaut wie jedes Jahr den opulenten Sängerwettstreit auf dem staatlichen Fernsehsender NHK, isst Toshikoshi-Soba, Buchweizennudeln, die im neuen Jahr für Wohlstand sorgen sollen, und bricht kurz vor Mitternacht zum Schreinbesuch auf. Dicht an dicht drängen die Menschen sich zwischen den bunten Buden auf dem Weg zum Hauptgebäude, es herrscht eine feierliche Stille. Auch als die Glocken des nahen Tempels das neue Jahr verkünden, jubelt niemand oder lässt gar Korken knallen. Wir hatten zuvor kräftig mit Freunden, logischerweise allesamt Ausländer, daheim gefeiert. Nun standen wir umringt von leisen Japanern und trauten uns nicht, unsere Sektflasche hervorzuholen. Als die Glocken zu läuten begannen, fielen wir uns in gewohnter Manier um den Hals und riefen laut: „Happy New Year!“. Manche Wartende um uns stimmten fröhlich mit ein, andere guckten nur konsterniert. Wir kümmerten uns nicht allzu sehr darum und ließen uns von der Menge nach vorne schieben. Die Götter wollten sicherlich auch unsere Neujahrsgrüße hören!
    Um sich im Himmel Gehör zu verschaffen, muss der Betende erst einmal die großen Schellen vor dem Hauptschrein rasseln. Nach dem Gebet noch zweimal in die Hände geklatscht, noch schnell eine Münze in den Opferstock geworfen und schon drängt der Hintermann. Bevor es anschließend heimgeht, wärmt ein Becher milchig-süßiger Amazake die kalten Finger und sorgt für die nötige Bettschwere.
    Sake wird in den nächsten Tagen reichlich fließen. Das geht gewöhnlich gleich nach dem üppigen Neujahrsfrühstück los, bei dem es Leckereien wie Fischrogen und süße
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