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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Autoren: Christine Liew
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Jahrhunderten einen Gedenktag der romantischen Liebe. An Tanabata, heißt es, treffen sich am Firmament die Weberprinzessin und ihr Rinderhirte, auf Erden waren sie einst ein Ehepaar. Auf Befehl der Himmelsgöttin musste die Prinzessin die Menschenwelt wieder verlassen, Mann und Kinder durften nicht folgen. Nur einmal im Jahr darf der Rinderhirte seine Frau sehen, die restliche Zeit trennt die Milchstraße die Liebenden. Die Geschichte der beiden Unzertrennlichen stammt ursprünglich aus China und ist auch in Korea sehr beliebt. Bittersüße Romantik ohne Happy End ist so ganz nach dem Geschmack der meisten Asiaten. Ohne eine gehörige Prise Leid gibt es hier keine wahren Gefühle. Populäre Liebesgeschichten müssen in Tragödien enden, nur dann sind Leserschaft und Publikum wirklich gerührt. Liebesgeschichten, die mit dem ewigen Zusammensein des Paares enden, schmecken allzu sehr nach Alltag und der ist nicht so recht der Stoff, aus dem hier Träume gemacht werden.
    Ursprünglich war der 7. Juli in Japan gar nicht von Romantik geprägt. Traditionell zelebrierten die Schreindienerinnen um dieselbe Zeit Reinigungsrituale, um für eine erfolgreiche Ernte zu beten. Der alte Mondkalender liegt ungefähr einen Monat nach dem gregorianischen Kalender, Anfang August standen die gefürchteten Sommerunwetter kurz bevor. Die Miko der Schreine webten für die Götter Stoffe auf besonderen Webstühlen, den sogenannten Tanabata, daher der Name des Festtags. In der Edo-Zeit galt es als gutes Omen, an Tanabata früh aufzustehen und sich besondere Fähigkeiten zu wünschen. Für die Mädchen waren dies Nähen und Weben, für die Jungen eine bessere Handschrift. Heute schreibt man seine Wünsche auf besondere Papierstreifen und dekoriert damit Bambuszweige. Körbe und Kimonos aus gefaltetem Papier erinnern weiterhin an die alten Wünsche nach guten Hausfrauenqualitäten. In Sendai zelebriert man Tanabata Anfang August mit einem prächtigen Feuerwerk und einer über und über mit Papierkunstwerken und Bambuszweigen geschmückten Innenstadt. Entlang der Alleen ziehen sich Buden mit gebratenen Nudeln, Hühnerspießen und Teigbällchen. Ein Stand verkauft Masken, an einem anderen versuchen Kinder, Goldfische zu fangen. Auch unsere Kinder riefen sofort „Ich will auch!“ und bettelten solange, bis ich die Brieftasche zog und für jeden ein Schälchen aus Esspapier kaufte. Logisch, dass sich die Schälchen sofort im Wasser auflösten und die Fischlein sich weiterhin ihrer Freiheit im Kinderplanschbecken wähnten. Trotzdem gab es keine enttäuschten Gesichter, der Mann packte kurzerhand einige Fische in eine mit Wasser gefüllte Tüte und überreichte sie uns. Unser Ältester trug sie stolz nach Hause. Und was soll ich sagen? Drei von ihnen wurden sehr alt, zwei waren echte Samurai: Sie zogen den Selbstmord einem Leben in Gefangenschaft vor und sprangen solange aus dem Goldfischglas, bis sie von ihrem Schicksal erlöst wurden.
    In der Stadt wird es bis zum Feuerwerk am Abend immer voller, es ist die einzige Zeit des Jahres, in der vor Taschendieben gewarnt wird. Überraschend viele junge Leute tragen wieder die traditionell leichten Baumwollkimonos und flanieren im Stil ihrer Großeltern unter den bunten Papierstreifen bis runter zum Fluss. Immer wenn eine kühle Brise aufkommt, geht ein Seufzen der Erleichterung durch die Menge. Manche harren schon seit Stunden auf blauen Plastikplanen, um sich den besten Blick auf die goldenen und silbernen Raketenschweife zu sichern. Die großen Veranstaltungen wie das Tanabata-Feuerwerk ziehen Hunderttausende von Zuschauern an, die kleinen aber finden nun tagtäglich in der heimischen Garageneinfahrt oder im Hof statt. Feuerwerk gehört hier zum Sommer wie die Mücken – im Winter hat hier keiner Lust auf prächtige Himmelsgemälde.
    Kaum eine Woche später, ab Mitte August, hat ganz Japan dann endlich Sommerferien. Die Schulen haben schon seit Mitte Juli für sechs Wochen Pause, nun folgen auch die Betriebe. Für O-Bon, dem Totenfest, gibt es für die Angestellten wieder eine Woche Urlaub. Eigentlich sollte man nun heim aufs Land zu den Familiengräbern, dort aufräumen und für die verstorbenen Ahnen beten, am Abend das Dorffest mit Tanz besuchen und alte Schulfreunde treffen. Doch viele fürchten das Verkehrschaos und die Langeweile bei den alten Verwandten. Es zieht sie eher in die kühleren Berge, ans Meer oder schlichtweg vor den Fernseher. Mitte August verwandelt sich das Land in einen
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