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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Autoren: Christine Liew
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durchsetzen“, erzählen Musubi und Uno und strahlen beide übers Gesicht. Die Bezahlung ist für eine junge Frau ohne Ausbildung recht ordentlich, sie verdienen knapp zehn Euro pro Stunde. „Unser Café zahlt uns zum Glück noch Kleidergeld, Verpflegung und die Fahrtkosten“, berichtet Veteranin Musubi. „Früher war das überall so, heute machen das nur noch die erfolgreichen Cafés.“ Treuherzig erzählen beide, dass sie auch in ihrer Freizeit kurze Kleider mit Puffärmeln tragen. Seit ihrer Kleinmädchenzeit lieben sie Manga und Anime und wollten schon immer Teil dieser Traumwelt sein. Klein sind sie immer noch, kaum ein Mädchen in den Cafés ist größer als 1,50 Meter. Große Frauen sind nicht kawaaii (niedlich) und damit nicht zu gebrauchen.
    Eine Etage tiefer tauchen wir ein in die Welt Japans zwischen den Weltkriegen. Hier tragen die Mädels mit nostalgischen Vornamen wie Hana oder Mie extrem kurze Kimonos, hohe Absätze mit bis über die Knie reichenden Strümpfen und langes offenes Haar im Stil der ersten japanischen Studentinnen. Die Gäste sitzen an niedrigen Tischen und auf der Speisekarte finden sich nur Gerichte, die an die „gute alte Zeit“ erinnern, wie Reisklößchen mit süßen roten Bohnen. Hier findet man endgültig keine weiblichen Gäste mehr, die Männer bleiben unter sich.
    Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss das Management sich ständig etwas Neues einfallen lassen. So kann der Gast Fußmassagen, Entschlackungskuren und andere Gesundheitseinheiten buchen. Sogar ein romantisches Date mit der bevorzugten Maid ist möglich. Andere Maid Cafés bieten jüngere zickige „Schwestern“, die mit der Zeit freundlicher werden (sogenannte Tsunderekko ), andere haben Politessen im Programm oder spielen (für Männerfantasien) interessante Büroszenarien durch. Kurz, was erträumt wird, ist auch machbar!
    So ganz ungefährlich ist das Spiel mit der Fantasie einsamer Otaku-Männer jedoch nicht. Obwohl Musubi und Uno angeblich noch nie Erfahrungen mit Stalkern oder anderen unangenehmen Zeitgenossen gemacht haben, hält das Management strikt an der Geheimhaltung ihrer persönlichen Daten fest. Gäste dürfen nicht nach Telefonnummer oder Mailadresse fragen. Ebenso wird darauf geachtet, dass sich nach Dienstschluss niemand am Ausgang herumtreibt. Wann welche Maid Dienst hat, wird erst am selben Tag bekannt gegeben. Oben in den hellen Räumen des Anime-Cafés scheinen diese strikten Regeln überflüssig. Inmitten des überwältigenden Kleinmädchen-Kitsches herrscht eine harmlose, typisch japanisch fröhlich-verspielte Stimmung. Dagegen empfinde ich die Atmosphäre im Maid-Café der Dreißigerjahre als unangenehm angespannt. Die Männer weichen meinen Blicken aus, sie wollen hier nicht gesehen werden. Die Mädchen sitzen für meinen Geschmack zu dicht bei ihnen und tragen zu wenig Kleidung. Ich erhalte Fotografierverbot und bin erleichtert, nach kurzer Zeit verabschiedet zu werden.
    Draußen auf der Straße spricht Herr Kawami eine Maid an, die hier neue Kundschaft werben soll. Locker und routiniert spult er sein Sprüchlein als Vertreter des Bezirkskomitees ab, bittet um Einhaltung der Regeln beim Werben auf der Straße und ist gar nicht so schüchtern. „Das ist ja auch ein Teil meiner Arbeit im Komitee“, lacht er. „Manchmal besuche ich auch die Maid-Cafés. Die Maids sind alle wirklich niedlich und es macht mir Spaß, mit ihnen für kurze Zeit so zu tun, als ob mein Lieblings-Animefilm lebendig geworden ist. Dann fällt mir das Reden auch nicht so schwer. Aber eigentlich suche ich ja eine richtige Frau! Daher versuche ich auch, in ganz normale Lokale zu gehen.“
    Der Love-Doll-Sammler Herr Shibata meidet sie alle, normale Bars und auch die Maid-Cafés. Für ihn sind die jungen Frauen noch viel zu real, und mit der Realität hat er bei Frauen bekanntlich abgeschlossen. Der Otaku und die Maid – im Alltag wird daraus wohl nie ein Paar.
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    1 Akiba ist die gängige Abkürzung für Akihabara.
    2 Deutsche Übersetzung: Train Man, Carlsen Verlag 2007.

Perlenmädchen
    Es ist Herbst und damit Seegurkensaison, die geschäftigste Zeit des Jahres in den Küstendörfern der Halbinsel Ise. Jetzt am Vormittag sollten alle Frauen draußen im Wasser sein und die trägen Riesenwürmer vom Meeresboden sammeln. Im Winter folgt Seetang und ab März beginnt die Abalonen-Zeit. Diese Muscheln sind gewöhnlich das einträglichste Geschäft der japanischen Küstentaucherinnen. Doch heute spielt das
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