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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss
Autoren: Inge Loehnig
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Zwetschgendatschi aus, den sie beim Bäcker gekauft hatte. »Ich habe in meinem Leben noch keinen Kuchen gebacken und fange sicher nicht mehr damit an.«
    Lena legte den Birnenbutzen an den Tellerrand.
    »Netter Junge, der Florian«, sagte Tom mit Blick auf den Birnenrest. Anscheinend hatte er das Gespräch vom Schlafzimmerfenster aus mitbekommen. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Ich finde, er hat Ähnlichkeit …«
    Lena warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »… mit seinem Vater.« Der Schalk funkelte in Toms Augen.
    »Gott sei Dank sieht er Benno ähnlich und nicht seiner Oma.« Tante Marie zündete sich eine Zigarette an. »Ba­bette ist ein Drachen. Seit über dreißig Jahren. Seit ihr Mann damals ertrunken ist und sie plötzlich allein mit dem Kind und der Schreinerei dastand. Die möchte ich nicht als Schwiegermutter haben.« Mit einem tiefen Seufzer griff sie nach einer Dose Sprühsahne und kleisterte das Stück Kuchen auf ihrem Teller zu.
    Kurze Zeit später drehte sich das Gespräch um die Beisetzung. Steffi musste noch mit dem Bestattungsinstitut und dem Pfarrer Details besprechen, sich um eine Traueranzeige kümmern und im Blumenladen einen Kranz bestellen. »Hast du eigentlich Ulrike informiert?«, fragte Steffi Tante Marie. Lena horchte auf. Da war sie wieder, die mysteriöse Tante, von der sie noch nie im Leben gehört hatte. Vermutlich lernte sie die nun kennen, wenn sie zur Beerdigung kam. Ob Steffi und Ulrike so verschieden waren wie Oma und Tante Marie? Eine gespannte Erwartung machte sich in Lena breit.
    »Ich? Wie denn? Woher sollte ich Ulrikes Adresse, geschweige denn ihre Telefonnummer haben?«
    Mit der Serviette wischte Steffi Krümel vom Tisch. »Ich dachte, Mutter … also ich habe angenommen, Mutter hat sie und damit auch du. Ulrike wird ihr doch sicher irgendwann einmal ihre Adresse gegeben haben.«
    Das Feuerzeug klickte, Tante Marie zündete sich die nächste Zigarette an und inhalierte tief. Dann stieß sie den Rauch aus. »Postkarten hat sie geschrieben. Ein Dutzend in zwanzig Jahren. Auf keiner hat sie eine Adresse oder Telefonnummer angegeben. Wie hätte ich sie da informieren können?«
    Ein Ruck ging durch Steffi. »Ich werde eine Trauer-Anzeige in die SZ setzen. In die Gesamtausgabe, die kann man auch in Spanien kaufen. Hoffentlich liest Ulrike sie.«

3
    Die Tage bis zu Omas Beisetzung vergingen schnell und beanspruchten Steffi vollständig. Sie buchte Anzeigen, wählte Bestattungsinstitut, Sarg, Leichenhemd und Karten aus, gab der Floristin Anweisungen für Kranz, Bukett und Gesteck, besprach mit dem Pfarrer die Trauerrede, organisierte eine Sopranistin und traf sich mit Omas Freundinnen aus dem Lesekreis und ihrem Anwalt. Und natürlich wartete sie darauf, dass Ulrike erschien oder sich wenigstens meldete.
    Tom kümmerte sich wie gewohnt um den Haushalt, besuchte mit Lukas eine Dinosaurierausstellung und unternahm mit ihm eine Nachtwanderung durch den Wald, während Lena mit ihrem Camcorder durchs Dorf schlenderte und Tante Marie besuchte, die alte Bücher restaurierte und eine Werkstatt in der Gasse hinter der Kirche betrieb. Aus dem Treffen am See mit Florian wurde vorerst nichts. Es regnete zwei Tage lang.
    Am Morgen der Beisetzung war Steffi zufrieden. Ein eher seltenes Ereignis, wie Lena fand. Sie hatte alles perfekt geplant. Sogar die Sonne schien, als hätte Steffi es ihr eigens aufgetragen. Allerdings fehlte ein Trauergast. Ulrike kam nicht und ließ auch nichts von sich hören. Kein Anruf, kein Brief, kein Telegramm.
    Der Gottesdienst ging mit Gebeten, Gesängen und Ansprachen vorüber. Bevor die Trauergesellschaft, hinter dem Sarg schreitend, die Kirche verließ, sang die Sopranistin ein Ave-Maria und wer bis dahin noch ein trockenes Auge gehabt hatte, weinte spätestens jetzt. Auch Lena.
    Oma Karin wurde an der Seite ihres Mannes Karl beigesetzt. Der Pfarrer sprach tröstende Worte und versprengte Weihwasser. Es folgten Gebete und wieder Gesang. Dann prasselte Erde auf den Sargdeckel, fielen Blumen ins Grab. Kurz darauf schüttelten Steffi, Tom, Lena und Lukas unzählige Hände und hörten ebenso viele Beileidsbekundungen. Auch Florian und seine Familie nahmen Abschied von ihrer langjährigen Nachbarin. Sogar die Uroma war dabei, schien allerdings vergessen zu haben, wer bestattet wurde, und wähnte sich auf der Beerdigung ihres Mannes. Deshalb begriff sie nicht, weshalb nicht ihr kondoliert wurde, sondern sie kondolieren sollte. Petra trat mit ihr
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