Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
abstellte.
    Wo bleiben denn die guten Manieren, Herr Anwalt?, dachte Lena grimmig. Man beginnt nicht zu essen, wenn noch nicht alle vor gefüllten Tellern sitzen. Ein schneller Blick zu Steffi bestätigte ihren Gedanken. Auch ihre Mutter fand Sternbergs Benehmen nicht sehr prickelnd. Eine Augenbraue stieg leicht in die Höhe.
    Der Beau hatte gerade etwas von seinem Glanz verloren und Lena war das sehr recht. Sie wandte sich an ihre Mutter. »Ich kann Ulrike Beermann googeln. Vielleicht finde ich so einen Hinweis auf sie.«
    »Das habe ich schon gemacht. Ich habe das ganze Web nach ihr durchforstet. Erfolglos.« Besorgt knetete Steffi ihre Serviette zwischen den Händen. »Vermutlich hat sie geheiratet und trägt jetzt einen anderen Namen. Es wird nicht leicht werden, sie zu finden. Aber eines darfst du mir glauben«, sie sprach mit Lena, aber ihre Aufmerksamkeit galt eigentlich Sternberg. »Ich werde nichts unversucht lassen. Und falls ich damit scheitere, und nur dann, können wir über das von dir vorgeschlagene Procedere reden.«
    Da ist sie wieder, dachte Lena. Steffi, die kalte Pragmatikerin.

Samstag, 5. Mai 1990
    Lichtreflexe huschten durch den Raum, über ihren Körper, der sich im Takt der Musik bewegte, ohne dass sie darüber nachdenken musste. Wie selbstverständlich nahmen ihre Arme, Beine, ihre Hüften, Schultern, Muskeln, Sehnen den Rhythmus auf, verwandelten ihn in Bewegung. Oh, think twice ’cause it’s another day for you and me in paradise.
    Wo er nur blieb? Er hatte doch gesagt, er würde an diesem Wochenende kommen, und nun war es schon nach zehn. Enttäuschung wollte sich in ihr ausbreiten, doch sie tanzte dagegen an. Wenn er kam, wollte sie fröhlich sein, strahlend.
    Der Song endete. Ulrike verließ die Tanzfläche, holte sich an der Bar eine Cola-Rum, trank sie zu hastig und sah sich um. Die Discokugel streute glitzernde Reflexe durch einen Nebel aus Zigarettenqualm. Der DJ legte eine neue Platte auf. Cradle of love. Die Bässe vibrierten durch den Raum. Wie eine homogene Masse wogte die Menge der Tanzenden. Die mit lederbezogenen Bänken ausgestatteten Nischen am Rand waren dicht besetzt. Bis auf eine. Dort verteidigte Felix den Tisch für Angel und seine Freunde. Der neue Walkman lag vor ihm. Eine Zigarette klebte an seiner Unterlippe, eine Sonnenbrille schützte seine Augen. Wovor? Vor diesem Schummerlicht? Ulrike dachte, dass Felix sich wie ein blinder Maulwurf vortasten müsste, falls er zur Toilette wollte. Crossi saß neben ihm und trank ebenfalls eine Cola-Rum. Als er Ulrike entdeckte, hob er das Glas. Sie ignorierte ihn. Eigentlich war Crossi ganz nett und er könnte sogar richtig gut aussehen. Wenn er sein Geld in Clearasil investieren würde statt in diese Schoko-Crossis, die er ständig futterte. Sie bekamen weder seiner Figur noch seiner Haut. Ein fetter Pickel prangte am Kinn und einige kleinere verunzierten die Stirn. Aber das konnte ihr egal sein. Von ihm wollte sie nichts.
    Das Glas war leer. Ulrike fühlte sich seltsam leicht und beschwingt, das Ergebnis von drei Cola-Rum. Billy Idols Stimme verhallte. Die ersten Takte von Nothing compares 2 u erklangen. Ulrike kehrte auf die Tanzfläche zurück, suchte ihren Rhythmus, fühlte sich nach wenigen Augenblicken eins mit der Melodie, so traurig und leer. It’s been so lonely without u here, like a bird without a song. Sie tanzte alleine am Rand, mied die Menge, wollte für sich sein. Doch plötzlich spürte sie, dass sie nicht alleine war. Jemand tanzte dicht neben ihr. Das Gesicht ihr zugewandt. Crossi. Er sah sie so sehnsüchtig an, dass sie beinahe lachen musste. Im selben Moment bemerkte sie, dass die Nische, die Felix so eifrig verteidigt hatte, nun besetzt war. Angel saß dort mit seinen Freunden, Steffen, Oli und ­Mike. ­Mike war da! Ihr Herz stolperte und schlug dann schneller. ­Mikes Blick wanderte suchend über die Tanzfläche, verweilte für den Bruchteil einer Sekunde auf ihr, sodass ihr der Atem stockte, glitt aber sofort weiter, als sei sie niemand. Ein Niemand. Jemand, den zu bemerken es nicht lohnte. Ein heißer Schmerz durchfuhr sie. ­Mike! ­Mike! ­Mike!
    Crossi tanzte sich näher heran. Er war ihr lästig und doch war es ihr egal. Im Moment hatte sie keine Kraft, ihm zu zeigen, dass seine Nähe unerwünscht war.
    ­Mike! Vor zwei Wochen hatten sie eng umschlungen hier getanzt. Vor zwei Wochen hatte er sie draußen in der lauen Frühlingsluft geküsst. Der Duft seiner Haare! Die Wärme seiner Haut! Seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher