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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss
Autoren: Inge Loehnig
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das sie in den nächsten Wochen bewohnen würde. Sie zog den Camcorder hervor und begann zu filmen. »Mein Quartier für die nächste Zeit.« Ein langsamer Schwenk durch den Raum. »Eine Million Rosen auf der Tapete. »Sehr hübsch. Wie bei Dornröschen.« Sie zoomte die Gardinen heran. »Spitzenvorhänge.« Lena betonte jede Silbe und schwenkte weiter zum Bett. Dicke Matratzen, mehrere pralle Kissen übereinandergestapelt, zwei Daunendecken. »Falsches Märchen. Hier schläft die Prinzessin auf der Erbse. Und wo schlafe ich?«
    Ein miefiger Geruch hing im Zimmer. Lena legte den Camcorder weg, schob Vorhang und Gardinen beiseite und öffnete das Fenster, um Luft hereinzulassen. Im Nachbargarten funkelte ein Pool türkisblau, daneben stand ein Liegestuhl, in dem jemand lag. Und dieser jemand hatte – Lena hielt instinktiv die Luft an – eine verblüffende Ähnlichkeit mit Robert Pattinson alias Edward Cullen, dem Vampir aus der Twilight- Saga!
    Quatsch! Sie schüttelte den Kopf, starrte aber weiter wie hypnotisiert in den Nachbargarten. Vampire sonnten sich nicht und Robert Pattinson würde niemals in einem Kuhkaff Urlaub machen.
    Der Junge im Liegestuhl schien ihren Blick zu spüren, denn er hob den Kopf und klappte das Buch zu, in dem er gelesen hatte. Lächelnd stand er auf. Barfuß und nur mit Badeshorts bekleidet kam er zum Zaun, der die beiden Gärten voneinander trennte. Sein Körper war muskulös und sehnig. »Hallo Lena.«
    Hallo Lena? Woher kannte er sie? Sollte sie Hallo Edward antworten? Lena musste bei dem Gedanken grinsen. Vage erinnerte sie sich, wie sie bei Opas Beerdigung vor acht Jahren mit dem Nachbarsjungen gespielt hatte. Natürlich fiel ihr sein Name jetzt nicht mehr ein. Der Junge machte sie unsicher, aber das wollte sie sich auf keinen Fall anmerken lassen.
    Sie setzte sich auf das Fensterbrett, schwang die Beine auf die andere Seite und sprang auf den gekiesten Weg, der zwischen der Terrasse und Omas Gemüsegarten verlief.
    »Hi …«, sagte sie, während sie noch immer versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern. Irgendwas mit F. Fabio? Fabian? Sie wurde abgelenkt. Das Grübchen an seinem Kinn war einfach nur … wow! Und seine blaugrauen Augen … und erst diese Wuschelhaare.
    »Florian«, vollendete er ihren Satz und lächelte sie an. »Florian Leitner. Du erinnerst dich?«
    »Ja, klar.«
    »Das mit deiner Oma tut mir leid. Ich habe sie echt gemocht.«
    »Danke. Ich habe sie leider kaum gekannt.«
    Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen. Unwillkürlich hob Lena die Hand und verdeckte die Narbe. Das war so ein dämlicher Automatismus, den sie nicht abstellen konnte.
    Mit einem sandigen Quietschen wurde die Tür zur Terrasse geöffnet. Tante Marie erschien mit einem Tablett und begann, den Tisch fürs Kaffeetrinken zu decken. Ihr folgte Steffi mit einem Kuchen.
    Lena ließ die Hand sinken. »Soll ich dir helfen?«, fragte sie Tante Marie pflichtschuldig, während Steffi die Kuchenplatte abstellte und sich die blonden Haare aus dem Gesicht strich. Sie sah gut aus für ihr Alter. Ein wenig wie Lynette Scavo aus Desperate Housewives . Schlank und sportlich, meistens lässig gekleidet. Tante Marie winkte ab. »Das ist nett von dir Lena, aber nicht nötig.«
    Steffi kam an den Zaun und begrüßte Florian. »Du bist groß geworden. Meine Güte! Wie die Zeit vergeht.«
    Im Haus der Leitners bewegte sich eine Gardine. Ein Gesicht erschien verschwommen hinter der Scheibe. War das Florians Oma? Lena erinnerte sich plötzlich, wie sie bei ihrem letzten Aufenthalt in Altenbrunn gemeinsam mit Florian die Luft aus deren Rad gelassen hatte. Einfach so aus Spaß. Dabei waren sie von ihr erwischt worden. Ehe Florian sich versah, hatte sie ihm zwei Ohrfeigen verpasst. »Sie ist eine Hexe«, hatte er damals ganz ernst erklärt.
    Nun blickte sie suchend in den Garten. Wie eine Hexe sah sie nicht aus. Eher wie Lenas Englischlehrerin. Kastanienbraun gefärbte Haare und eine randlose Brille. Der Vorhang glitt wieder zurück.
    Schon wieder starrte Florian auf die Narbe. War sie hier die Jahrmarktattraktion oder was? Abrupt wandte Lena sich ab, ging zu Tante Marie und half ihr nun doch dabei, den Tisch zu decken, während Steffi sich mit Florian unterhielt.
    In der Küche suchte Lena nach Papierservietten. Als sie damit zurück auf die Terrasse kam, stand ein Mann neben Florian. Er begrüßte Steffi und sprach ihr sein Beileid aus. War das Florians Vater? Er war attraktiv. Verdammt attraktiv sogar, jedenfalls
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