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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss
Autoren: Inge Loehnig
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und nicht die Eine. Er erbittet sich eine Trophäe. Slip oder BH. Er macht Fotos. Wieder hörte Ulrike das leise Klicken. Tränen traten ihr in die Augen. Sosehr sie es auch leugnen wollte: Verdammter Mist, es war wahr. Er hatte sie benutzt! Benutzt wie ein Stück Klopapier.
    Sie erreichte das Ende des Dorfes. Ohne Straßenbeleuchtung war die Nacht klarer. Im Mondlicht schimmerte der Asphalt. Sie schritt eilig aus. Blickte auf Mond und Sterne, versuchte zu vergessen, was geschehen war, und malte sich stattdessen aus, was vor ihr lag. Morgen um diese Zeit konnte sie schon in Berlin sein. Im Osten der Stadt konnte man billig wohnen. Sie würde sich erst ein Zimmer in einer WG suchen und dann einen Job. Kellnern oder so und dann würde sie auf die Schauspielschule gehen.
    Das Brummen eines Autos durchbrach die Stille, kam näher, wurde lauter. Erschrocken trat Ulrike in das Maisfeld, an dem sie entlangging. Suchte ihr Vater schon nach ihr? Doch es klang nicht nach dem Dieselmotor seines Golfs. Sie streckte den Kopf zwischen den Maisstauden hervor und erkannte Crossis froschgrünen Fiat Panda.
    Erleichtert atmete sie durch. Wo wollte er jetzt noch hin? Doch sicher nicht ins Moonlight . Obwohl, das schloss erst um vier. Entschlossen trat sie aus dem Feld auf die Straße und hob den Daumen.
    Crossi verlangsamte die Fahrt, hielt und kurbelte das Fenster runter. »Ulrike? Was machst du denn hier?«
    »Fährst du ins Moonlight?«
    Ein Schulterzucken war die Antwort. »Du willst doch nicht mit dem Rucksack in die Disco.«
    »Nee. Zum Bahnhof nach Tölz. Nimmst du mich mit?«
    »Logo.«
    Ulrike warf den Rucksack in den Kofferraum und stieg ein. Crossi fuhr los. Sie war froh, ihn getroffen zu haben, und dankbar für seine Hilfe. Crossi war echt ein netter Kerl und plötzlich tat es ihr leid, wie sie ihn vor drei Wochen behandelt hatte. Das war eigentlich ziemlich mies gewesen. Sie hatte ihn benutzt. Genau wie ­Mike sie benutzt hatte. Geschah ihr irgendwie recht. Ausgleichende Gerechtigkeit. Kummer legte sich wie Bleiplatten auf ihren Brustkorb.
    Crossi blickte zu ihr hinüber. »Frust wegen ­Mike?« Besorgt sah er sie an. Auf seinem Kinn prangte ein Pickel dicht unter der Lippe. Diese Lippen, die sie geküsst hatten! Und wie er damals getanzt hatte. Wahnsinn. Ich liebe dich. Schon immer. Aber sie liebte ­Mike. Dieses Arschloch. Tränen begannen, lautlos zu laufen.
    »Er ist es nicht wert. Du solltest ihm nicht eine Träne nachweinen.« Crossi nahm eine Hand vom Steuer und wischte ihr die Tränen weg. »Und schon gar nicht so viele.«
    Aber sie liefen weiter und weiter. Crossi bog auf einen Feldweg ein und stoppte. Aus dem Handschuhfach nahm er ein Päckchen Tempos, zog eins heraus und reichte es ihr.
    Sie schnäuzte sich.
    »Magst du darüber reden?«
    Eigentlich wollte sie nicht. Doch die Worte begannen, aus ihr herauszutröpfeln. Erst stockend, dann fließend, bis sie strömten wie ein Bach, der immer weiter anschwoll, der alles mit sich fortschwemmte – ihre Wut, ihre Scham, ihren Hass auf Steffi – und dann breit und träge wurde und sich beruhigte.
    Crossi hörte schweigend zu. Als sie fertig war, war die sengende Glut der Scham in ihr beinahe erloschen. Sie fühlte sich besser und dafür war sie ihm dankbar.
    »Es tut mir leid. Du weißt schon. Neulich in der Disco«, druckste sie herum.
    »Ist schon in Ordnung. Stimmt ja. Die Schöne und das Biest, das ist ein Traum.«
    Ich liebe dich. Schon immer. Sie verstand ihn. Nur zu gut. Er musste sich ungefähr so fühlen wie sie jetzt. Sie wegen ­Mike. Er ihretwegen.
    Wieder strich er ihr mit dem Daumen über die Wange, über den Mund. Sein Gesicht näherte sich ihrem und wieder ließ sie es zu, dass er sie küsste. Weshalb tat sie das? Einfach weil es ihr guttat, sie tröstete? Als Dankeschön für seine Freundschaft? Doch von seiner Seite war es mehr, das wusste sie doch. Viel mehr. Sie würde ihn wieder verletzen, wenn sie das jetzt nicht stoppte. Hallo? Es war höchste Zeit, Halt zu sagen, denn seine Hände glitten hi­nunter zu ihrem Busen. Sie löste sich von ihm, schob ihn zurück. »Crossi. Sorry, aber wir sollten das nicht tun.«
    Er fuhr zurück, starrte sie an. Alles Weiche und Zärtliche verschwand aus seinem Gesicht, machte Wut Platz und etwas, das sie im ersten Augenblick nicht benennen konnte. Bis sie erkannte, dass es Hass war. Ein brennender Hass, der ihr Angst machte. Sie tastete nach der Tür. Doch Crossi packte sie am Arm, riss sie zurück. »Ich liebe
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