Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
gewesen, ihm von Twilight vorzuschwärmen! »Mit dieser Soße vertreibst du jedes Wesen, egal ob menschlich, tierisch, pflanzlich oder vampirisch und ganz sicher Steffi.« Das Kochbuch lag neben dem Herd. Lena legte den Camcorder beiseite und warf einen Blick hinein. »Zwei Zehen, steht da. Zehen! Nicht Knollen.«
    Mit einem Löffel fischte sie den Knoblauch heraus und probierte dann. Die Soße schmeckte trotz dieses Rettungsversuchs abartig knofelig.
    »Vielleicht sollten wir sie mit einer Dose Tomaten verdünnen und mit Gewürzen den Knofelgeschmack überdecken«, schlug Tom vor und griff nach dem Gläschen mit Chili.
    »Genialer Plan.«
    Tom war eben weder Koch noch Hausmann. Er war Industrie-Designer und entwarf normalerweise Flaschen, Tiegel und Döschen für die Kosmetikindustrie. Während der Wirtschaftskrise hatte er seine Arbeit verloren und danach keine neue Stelle mehr gefunden. Seither war das Geld knapp. Das Haus musste abbezahlt werden und Steffis Halbtagsstelle bei der Volkshochschule reichte nicht aus, das entstandene Haushaltsloch zu stopfen. Auch nicht, seit sie vor einigen Monaten auf eine Ganztagsstelle hatte wechseln können. Steffi war über die Veränderung alles andere als glücklich. Und auch Tom tat sich schwer in seiner neuen Rolle als Hausmann und Erzieher. Auch wenn Lena fand, dass ihr Vater das mit der Erziehung prima hinbekam. Er ließ ihr und Lukas mehr Freiheiten als Steffi, die sich ständig sorgte und tausend Sachen verbot, die andere Eltern erlaubt hätten. Bei Lukas war das ja in Ordnung. Er war erst acht. Aber sie war vor einem Monat sechzehn geworden, höchste Zeit, dass Steffi zu glucken aufhörte.
    Als diese fünf Minuten später heimkam, roch es köstlich. Der Knoblauchduft in der Wohnung war verschwunden, die Soße so gut wie gerettet und der Tisch gedeckt.
    »Hallo, meine Lieben.« Steffi gab Tom einen Kuss auf die Wange. »Hmm, das riecht lecker. Ich habe einen Mordshunger.« Sie ließ sich auf ihren Stuhl am Fenster fallen. »Ist Lukas nicht da?«
    Tom drehte sich um. »Er ist bei Bastian und wird gleich kommen. Um sechs gibt es Essen. Das weiß er.«
    »Doch nicht bei Sebastian Schweiger?« Steffis Stimme bekam einen schrillen Unterton, den Lena nur zu gut kannte. In ihm materialisierte sich die Angst ihrer Mutter, Bastis Verhalten könnte auf Lukas abfärben. Bastian Schweiger war das jüngste von fünf Kindern einer Familie, die Steffi gerne als »abgehängtes Prekariat« bezeichnete.
    »Ich weiß nicht, was du gegen Bastian hast«, erwiderte Tom. »Er ist ein netter Junge und es schadet Lukas nicht zu sehen, dass es Familien gibt, denen es weitaus schlechter geht als uns. Wir jammern schließlich auf hohem Niveau.«
    Lena sah, wie ihre Mutter sich eine Entgegnung verkniff, und war darüber froh. Eine Mahlzeit ohne Streit und Reibereien war selten geworden.
    Die Spaghetti waren fertig. Tom goss sie ab und stellte die Schüsseln mit Nudeln und Soße auf den Tisch. Steffi sah auf die Uhr. »Wahrscheinlich hat die S-Bahn Verspätung, sonst müsste Lukas doch längst hier sein.«
    »Ich habe ihm erlaubt, mit dem Rad zu fahren«, entgegnete Tom.
    »Mit dem Rad? Diese Strecke? Bist du wahnsinnig?«
    Okay, dachte Lena, Spaghetti transsilvanisch an Erziehungsstreit. Lecker! Sie zog den MP3-Player aus der Hosentasche, stöpselte sich die Ohren zu, schaltete Mando Diao auf volle Lautstärkeundschaufelte eine Portion Nudeln auf ihren Teller, als Tom plötzlich neben sie trat und ihr einen der Kopfhörer aus dem Ohr zog. »So geht es nicht, junge Dame.«
    »Aha. Und weshalb nicht?«
    »Das weißt du.«
    »Jaja. Die guten Manieren. Und was ist mit euch? Meinst du, es macht mir Spaß, euch ständig beim Streiten zuzuhören?«
    »Natürlich nicht.« Tom wischte sich mit der Hand über die Augen. Er wirkte müde. »Momentan ist das alles … etwas schwierig …« Plötzlich tat er Lena leid.
    »Wo nur Lukas bleibt?« Steffi stand auf und sah aus dem Fenster.
    Mit einem Blick auf die Uhr stellte Lena fest, dass es drei Minuten nach sechs war. Kein Grund, einen Panikanfall zu bekommen. Im selben Moment hörte sie die Haustür schlagen und Steffi aufatmen. Lukas war da und stürmte in die Küche. »Boah, ey! Voll krass! Bastis Papa hat sich mit ’nem Assi geschlägert und der hat die Bullen gerufen.«
    Steffi warf Tom einen alles sagenden Blick zu.
    Eine Ader trat an seiner Schläfe hervor, die Lippen wurden schmal. Doch er schluckte, sehr zu Lenas Erleichterung, seinen Ärger hinunter.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher