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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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Zeigefinger auf die Nasenwurzel.
    »Ja«, sagte sie leise und kehrte den beiden auf dem Sofa den Rücken zu. »Es ist entsetzlich. Aber woher in aller Welt weißt du schon ...«
    »Meine Schwester ist mit einem Muslim verheiratet«, sagte Marianne am anderen Ende der Leitung. »Zwei Kinder. Zwei dunkle Kinder! Wie soll es in diesem Land jetzt weitergehen?«
    Ihre Stimme versagte.
    »Muslim«, wiederholte Inger Johanne verwirrt. »Ich verstehe nicht so ganz, was ...«
    Marianne schluckte hörbar, dann räusperte sie sich und sagte laut: »Ich kann jetzt jedenfalls nicht kommen. Das Beste wäre, die ganze Sache abzusagen. Kannst du das Ellen einfach ausrichten? Die anderen sind sicher auch nicht in der Stimmung, um in Erinnerungen an die Schulzeit zu schwelgen, jetzt, wo so etwas in Norwegen passiert. In Oslo.«
    »Natürlich wird das Essen ausfallen, aber was ...«
    »In unserer Stadt, Inger Johanne, in unserer Stadt!«
    »Marianne ...«
    »Hast du die Bilder gesehen? Im Fernsehen? Das müssen doch viele Hundert Tote sein. Und meine Schwester ist ja ...«
    »Marianne«, sagte Inger Johanne, jetzt mit schärferer Stimme. »Worüber redest du eigentlich? Was zeigen sie im Fernsehen? Was ist passiert?«
    »Weißt du das nicht?«
    »Nein.«
    »Weißt du nicht, dass jemand die halbe Innenstadt in die Luft gesprengt hat? Eine Riesenbombe, Inger Johanne! Terroristen, heißt es, muslimische Terroristen, und was jetzt ...«
    Inger Johanne hörte nicht mehr zu. Sie hörte nichts mehr.
    Sie stand mit dem Rücken zum Kamin und schaute zum Sofa hinüber. Dann ließ sie den Blick zum Fenster wandern. Hinter den regennassen Rosensträuchern im Garten und den heruntergekommenen Stadtvierteln, die Grefsen vom Zentrum trennten, vor dem grauschweren Fjord, ganz weit unten, ein wenig östlich vom gedrungenen Rathausturm, war die Rauchsäule etwas größer geworden.
    »Du weißt doch, wer heute Abend kommen wollte«, sagte Inger Johanne langsam.
    »Ja, ich habe die Gästeliste zusammengestellt. Alle Mädchen aus der 3 b, außer ...«
    »Ruf sie an. Sag ab.«
    »Kann Ellen nicht ...«
    »Bitte.«
    »Aber meine Schwester ...«
    »Ruf an, Marianne. Sag ab. Bitte. Kann ich mich darauf verlassen?«
    Es knackte in der Leitung, und Inger Johanne sagte noch einmal: »Bitte, Marianne.«
    »Na gut. Von mir aus.«
    »Du hast nicht aufgepasst«, weinte Ellen auf der anderen Seite des Wohnzimmers.
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    »Ellen«, sagte Inger Johanne, so ruhig sie konnte, und ging einige Schritte auf das makabre Bild auf dem Sofa zu. »Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, wenn ...«
    Sie wurde vom Knall einer zuschlagenden Tür unterbrochen und fuhr zusammen. Dem Klirren, mit dem ihr eigenes Telefon auf den Boden aufschlug, folgten schnelle Schritte aus der Diele und eine summende Stimme, die sich dem Wohnzimmer näherte.
    »Hallo«, sagte ein Mann fröhlich und breitete die Arme aus. »Bist du so weit, Jon? Eure Klingel funktioniert nicht, nur damit ihr das wisst.«
    Der Mann konnte höchstens dreißig sein. Er fuhr sich mit der Hand durch die dichten halblangen Haare, die stärker sommerlich gebleicht waren, als nach den letzten Wochen zu erwarten gewesen wäre. Das eng sitzende eisblaue T-Shirt betonte die sonnenbraune Farbe der Haut. Noch immer lächelte er strahlend und musterte Inger Johanne mit rasch abnehmendem Interesse, dann machte er zwei Schritte auf das Sofa zu.
    »Hallo, Tarzan«, sagte er grinsend zu dem Jungen. »Sollen wir ...«
    Er unterbrach sich. »Was zum Teufel ...«
    »Nicht«, murmelte Ellen.
    »Was zum Teufel«, sagte der Mann atemlos. »Jon! Jon, verdammt, was ist denn mit Sander los?«
    »Sander ist tot«, sagte Inger Johanne. »Ich versuche schon die ganze Zeit, die Polizei anzurufen, aber die ...«
    »Tot? Was soll das heißen ... reden Sie keinen Scheiß! Jon! Jetzt sag doch was! Was ist los mit euch? Was ist los mit ...«
    »Nicht«, flüsterte Ellen.
    »Ich habe nicht aufgepasst«, wiederholte Jon mit monotoner Stimme.
    »Die Polizei«, sagte Inger Johanne und hob ihr zerbrochenes Telefon auf. »Wir müssen die Polizei informieren, aber die sind offenbar beschäftigt mit dieser ... Explosion in der Innenstadt.«
    »Explosion?«, wiederholte der Mann. »Welche Explosion? Was ist mit Sander passiert und was ...«
    Er machte einen Schritt zum Sofa hin, überlegte sich die Sache aber anders und blieb stehen.
    Inger Johanne holte tief Luft.
    »Wir müssen die Polizei informieren«, sagte
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