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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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sie noch einmal. »Aber es gab in der Innenstadt offenbar ein ... einen größeren Zwischenfall, und damit sind sie beschäftigt. Ich schlage vor, Sie ...«
    Sie starrte den jungen Mann an.
    »Joachim«, sagte der heiser. »Ich heiße Joachim. Jon, Sander und ich wollten doch ... Ich meine, Ellen hatte doch Gäste eingeladen, und wir ...«
    Er kam nicht weiter. Inger Johanne konnte sehen, dass sich seine blauen Augen mit Tränen füllten und dass er seinen Blick nicht von dem toten Jungen abwenden konnte.
    »Du bleibst hier«, sagte sie. »Nichts anfassen. Vor allem ... Sander nicht anrühren. Ich gehe nach unten in die Küche und rufe alle bei der Polizei an, die mir einfallen. Ich nehm dein Telefon, Ellen.«
    Die Mutter des Jungen gab keine Antwort.
    »Hierbleiben!«, sagte Inger Johanne mit scharfer Stimme zu allen zusammen, als hätte sie es mit einer Schar ungehorsamer Hunde zu tun. »Hierbleiben und nichts anfassen.«
    Mit ihrem zerbrochenen Telefon in der einen Hand und Ellens iPhone in der anderen ging sie zur Tür. Ein schwacher Duft nach Rasierwasser streifte ihre Nase, als sie an Joachim vorbeikam. Es roch teuer, und über seine Schultern hatte er einen Pullover aus feinem Kaschmir gelegt.
    Sie war seit fünfundfünfzig Minuten hier.
    Und in der Ferne heulten die Sirenen ununterbrochen.
    Die Uniform des Polizisten war zu groß für seine magere Gestalt. Seine Haare lagen dicht, blond und frisch geschnitten über einem glatten Gesicht mit kindlich roten Lippen. Der Adamsapfel hüpfte in einem Takt auf und ab, der Inger Johanne unter anderen Umständen zum Lachen gebracht hätte. Die schwarzen Schulterklappen mit dem einsamen goldenen Stern verrieten, dass er ein einfacher Beamter war. Soeben fertig mit der Polizeihochschule, vermutete Inger Johanne. Nicht gerade, was sie sich erhofft hatte, aber besser als nichts.
    Oder vielleicht auch nicht.
    »Was ist hier passiert?«, fragte er und sah Inger Johanne an, während sein linker Zeigefinger zweimal seinen Nasenflügel berührte, ehe er wieder eine Art Habtachtstellung einnahm.
    »Das weiß ich nicht. Als ich hergekommen bin, so gegen Viertel nach drei, war der Junge tot.«
    »Ach.«
    Der junge Polizist starrte jetzt Joachim an, der mit vor der Brust verschränkten Armen am Kamin lehnte.
    »Ich bin noch später gekommen«, sagte Joachim tonlos. »Ich weiß gar nichts.«
    »Na gut«, sagte der Polizist und schluckte.
    Es wurde still. Joachim hatte schon längst die Balkontür geschlossen, und die Sirenen aus der Stadt waren nicht mehr zu hören. Nur Ellens monotones Schluchzen und ab und zu ein neues »Nicht« brachen ein so drückendes Schweigen, dass Inger Johanne spürte, wie ihr zwischen den Schulterblättern der Schweiß ausbrach. Der Polizist starrte sie an, als warte er darauf, dass gerade sie das Wort ergriff, das Kommando übernahm, für Ordnung sorgte. Ihr war das unangenehm.
    »Der Junge«, schlug sie leise vor und sah ihn an. »Sander heißt er. Er müsste wohl obduziert werden. Der Ordnung halber.«
    Sie versuchte, sicherer zu wirken, als sie war.
    »Ja«, sagte der Polizist und nickte. »Wir brauchen einen Krankenwagen.«
    »Aber wenn ich das richtig verstanden habe, sind die alle im Einsatz.«
    »Ja. Die Explosion, ja.«
    Er nickte und starrte den Jungen an, der noch immer auf dem Schoß der Mutter lag.
    Sein Adamsapfel hüpfte und hüpfte.
    »Ich kann ihn fahren«, sagte Joachim zögernd. »Das wird doch im Rikshospital gemacht, nicht wahr?«
    »Tja«, sagte der Polizist sehr langsam und kratzte sich dabei mit einem Zeigefinger im Nacken. »Grefsen gehört wohl eher zu Ullevål. Ich glaube, vielleicht ...«
    Was er glaubte, wurde nie deutlich.
    Noch ein Mann betrat das Zimmer.
    »Ich habe geklingelt«, sagte der Neuankömmling. »Da niemand aufgemacht hat, bin ich gleich reingekommen. Kalle Hovet.«
    Er hielt dem jungen Polizisten die Hand hin, und der nahm sie zögernd.
    »Polizeijurist Kalle Hovet«, erklärte er kurz. »Meine Kollegin Silje Sørensen hat mich angerufen und gebeten, hier vorbeizuschauen. Ich wohne in Kjelsås, gleich hier oben. Sie war angerufen worden. Von Ihnen, nehme ich an?«
    Er schaute Inger Johanne an, und die nickte. Da sie sonst niemanden erreicht hatte und Yngvar sich nicht meldete, hatte sie die Person bei der Osloer Polizei angerufen, die sie am besten kannte. Silje war in Urlaub auf den Bahamas und wusste nichts darüber, was in der Osloer Innenstadt geschehen war, aber sie hatte offenbar
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