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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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herumtelefoniert.
    »Unsere Beamten sind, wie Sie sich sicher denken können ...«
    Die riesige Faust deutete in Richtung Fenster.
    »... beschäftigt. Sehr beschäftigt.«
    »Was ist da unten denn passiert?«, fragte Inger Johanne leise.
    »Ich weiß nicht genau. Obwohl es ja normalerweise nicht meine Aufgabe ist, zu solchen Einsätzen zu fahren ...«
    Wieder verstummte er. Sein Blick huschte blitzschnell durch den Raum und blieb an der kleinen Familie auf dem Sofa hängen. Er kniff die Augen zusammen, als ob er schlecht sähe.
    »Gefallen?«, fragte er.
    Die Eltern gaben keine Antwort.
    »Ja«, sagte Inger Johanne und nickte. »Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er von einer Trittleiter gestürzt.«
    »Von welcher Trittleiter?«, fragte Kalle Hovet, ohne den Jungen aus den Augen zu lassen.
    »Sie wurde ... weggestellt.«
    »Weggestellt?«
    »Ja«, antwortete Inger Johanne kaum hörbar. »Ich fürchte, dieser Tatort ist ... ist nicht ganz ... es war doch offenbar ein Unfall. Sander ist ein Junge, der ...«
    Der grobschlächtige Mann mittleren Alters hob die Hand.
    »Hören Sie«, sagte er, vor allem an den uniformierten Polizisten gerichtet. »Wir sind hier allesamt nicht gerade Experten. Nicht für solche Dinge. Ich werde versuchen, im Laufe des Abends einen Kriminaltechniker herzuschicken. Bis dahin haben alle das Zimmer zu verlassen.«
    Er fuhr sich mit der Hand über den Schädel, wo sich die Geheimratsecken auf einer blanken Fläche begegneten.
    »Und der Junge muss ins Krankenhaus gebracht werden«, sagte er resigniert. »Wie immer wir das ...«
    »Nein!«, schrie Ellen. »Nein! Nicht!«
    Sie sprang vom Sofa auf, noch immer mit dem großen Achtjährigen in den Armen. Schwankend ging sie dann vorbei an dem kleinen gläsernen Couchtisch, über den hellen Teppich bis aufs Parkett, wo sie ihre Lunge mit Luft füllte und noch einmal mit schriller Stimme schrie: »Nicht! Fasst meinen Jungen nicht an!«
    Ehe irgendwer ihr zu Hilfe kommen konnte, glitt der Junge langsam aus den Armen der Mutter.
    Sie konnte nicht mehr.
    »Nein«, flüsterte Inger Johanne, aber es war zu spät.
    »Was für eine Geschichte«, sagte Kalle Hovet und zog ausgiebig an seiner Zigarette.
    »Da unten oder hier oben?«, fragte Inger Johanne und trat einen Schritt zur Seite, um sich von der qualmenden Selbstgedrehten zu entfernen.
    Der Polizeijurist behielt den Rauch mehrere Sekunden lang in der Lunge, dann stieß er ihn durch die Nase aus.
    »Beides, kann man wohl sagen. Auch wenn ich nicht so richtig darüber informiert bin, was in der Innenstadt eigentlich passiert ist. Eine große Bombe, das habe ich noch mitgekriegt. Es ist die Rede von einem Terroranschlag. Vor dem Redaktionsgebäude von VG oder so. Ich kann dieses Käseblatt zwar auch nicht leiden, aber es gibt ja wohl Grenzen. Ich hatte verdammt Lust, da drinnen den Fernseher einzuschalten, aber das hätte wohl keinen guten Eindruck gemacht. Wissen Sie mehr?«
    Es war inzwischen zwanzig vor sieben. Sie standen auf einer mit Steinen belegten Terrasse an der Südostseite der Villa, einige Meter von der Haustür entfernt. Der junge Polizist hatte endlich ein Bestattungsunternehmen erreicht, da kein Krankenwagen abkömmlich gewesen war. Als zwei ernste, sich zum Verwechseln ähnliche Männer in dunklen Anzügen, kreideweißen Hemden und schmalen schwarzen Schlipsen kamen, um den zerschundenen Leichnam des acht Jahre alten Sander Mohr zum Rikshospital zu bringen, hatten sich Szenen abgespielt, die Inger Johanne schon jetzt mit aller Kraft zu vergessen versuchte. Ellen war am Ende mitgefahren, zusammengekrümmt über ihrem toten Sohn, der noch zwei Vorderzähne verloren hatte, als er ihr auf den Boden gefallen war. Joachim, offenbar ein jüngerer Kollege von Jon und der Hausfreund von Jon und Ellen, hatte sich bereit erklärt, mit ins Krankenhaus zu fahren, um Ellen später wieder nach Hause zu bringen. Falls es überhaupt möglich wäre, sie von dem Jungen loszureißen, dachte Inger Johanne. Jon starrte stumm aus dem Küchenfenster, während der Polizist auf der anderen Seite des Tisches stand und auf Verstärkung wartete. Was aber noch dauern konnte.
    Inger Johanne hatte das vage und unbehagliche Gefühl, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben.
    »Nein«, sagte sie. »Ich habe keine Ahnung. Und jetzt kann ich wohl gehen.«
    »Kennen Sie die beiden?«
    Kalle Hovet nickte zum Haus hinüber.
    »Ja. Ellen und ich waren zusammen auf dem Gymnasium.«
    »Sie sind doch jung
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