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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel
Autoren: Marko Hautala
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die Stimmen sich zum lauten Reuelied vereinten, rief Jakob in die Nacht:
    Vogt Daniel Wulffssohn, wie verlockend erscheint Euch nun die schimmlige Fut der Witwe? Pfarrer Hamnius, pass auf deine Kiste auf, dass dein Silber nur ja nicht anläuft, während deine Glieder schwarz werden und dein Rücken sich in Krämpfen windet! All ihr Bürger und Bäuerinnen und Knechte und Säufer, die ihr niemals weiter denkt als bis zum nächsten Fleischtopf, prasst diesmal ausgiebig, denn vom ranzigen Speck des Hasses ist so reichlich da, dass niemand leer ausgeht!
    Als die ersten Brände aufflammten, verstummte Jakob. Es war ihm tatsächlich gelungen, diese Flamme zu entzünden, die immer mehr wuchs, die Traufe des Nachbarhauses erfasste, über das Dach kletterte wie ein Todesengel. Daswütende Rot des Feuers erhob sich, verwandelte sich in Funken und Rauch, spiegelte sich in den Wolken am nächtlichen Himmel, bis man wahrhaftig meinen konnte, der Mond habe sich rot gefärbt.
    Als er den Anblick bewunderte, merkte Jakob, dass jemand unter seinem Fenster stand.
    Es ist vollbracht , sagte der Mann. Seine Stimme zitterte vor Entsetzen und Ehrerbietung. Du hast den Sündigen einen Dienst erwiesen, Jakob Mört, und dein Mut wird im Paradies belohnt. Wisse, dass sie dich holen werden. Gott gebe dir Kraft.
    Jakob dankte dem Bruder und schloss das Fenster. Er saß im dunklen Zimmer, im Widerschein des Feuers, und dachte an Katharina und die Kinder, hoffte, dass wenigstens die Kinder in ihrem kurzen Leben so viel Gnade empfangen hatten, dass er sie im Freudenhimmel wiedersehen würde, falls er selbst dorthin gelangte.
    Die Tür im unteren Stockwerk flog krachend aus den Angeln und Schritte polterten durch das Haus. Er wurde zuerst geschlagen, dann die Treppe hinuntergeschleift. Sie zwangen ihn, die Feuerbrunst anzusehen, und brüllten wie wütende Stiere. Der Kriegsknecht Albrekt Johanssohn wollte ihn an Ort und Stelle mit dem Schwert durchbohren, doch der Feldscher Gerden beharrte darauf, dass angesichts der Schwere des Verbrechens der Urteilsspruch der höchsten richterlichen Gewalt vonnöten sei. Nur diejenigen, die wenig aßen und der Selbstzucht fähig waren, blieben gesund und konnten das Entsetzen bezeugen, was richtig und lehrreich war, doch wussten sie die Lehrstunde nicht zu schätzen.
    In Jakobs Ohren klang ihr Gezänk wie das Surren der Insekten an einem Sommertag. Er starrte auf das Feuer,die Nase erfüllt vom Geruch des Rauchs, die Augen vom Ruß tränend.
    Die Erinnerung an das Feuer verschwand, als ein gewaltiger Aufprall Jakob an die Wand seiner Zelle im Schiffsrumpf schleuderte. Kreischend und knackend barst Holz, als hätte eine riesige Hand das Schiff gepackt. Jakob wurde in der Dunkelheit hin und her geworfen, sodass er bald nicht mehr wusste, wo Himmel und Erde waren.
    Er tastete die Wand ab, bis er die Tür fand. Oder die Stelle, wo sie gewesen war. Dort spürte er nur noch die spitzen Splitter der zerbrochenen Bretter. Jakob trat gegen die Reste der Tür, riss sie weg und watete durch das kalte Wasser, das ihm bereits bis zu den Lenden reichte. Über das Geländer der eingestürzten Treppe kletterte er an Deck. Kaum war er ins Freie gelangt, fiel er auf den Rücken, glitt zur Reling und blieb dort liegen. Zwischen den Sturmwolken blinkten Sterne. Der Wind heulte im Mast. Jakob zwang sich aufzustehen. Er begriff, dass das Schiff sank. Es schwang plötzlich zur anderen Seite, und die Bewegung schleuderte ihn über Bord. In der Stille unter Wasser verlor er die Orientierung.
    Ertränkst du mich jetzt, Herr? , fragte Jakob in Gedanken. Dann möge es geschehen.
    Bald merkte er jedoch, dass er an die Oberfläche gekommen war. Instinktiv schnappte sein Mund nach Luft. Er lag auf dem Rücken und ließ sich von den Wellen tragen. Gott spielte mit seinem Diener, der nicht wusste, warum er sich nach hier oder dort bewegen sollte, der jedoch darauf vertraute, dass die Strömung ihn an den richtigen Ort bringen würde.
    Die Klippe, auf die das Schiff aufgelaufen war, war groß,lag aber überwiegend unter Wasser. Jakob kroch auf den Felsen und beobachtete den Todeskampf des Schiffes, das sich auf die Seite gelegt hatte. Es schwankte hin und her, sein Knacken und Knirschen klang wie die Klage eines großen sterbenden Tieres. Dann wurde Jakob von einer neuen Welle ins Wasser genommen und zu den Fackeln getragen, deren Licht in der Ferne schimmerte.
    Am Ufer zog man ihn im Rhythmus der Wellen an Land. Ein Lagerfeuer flackerte im Wind
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