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SchattenHaut

SchattenHaut

Titel: SchattenHaut
Autoren: Nané Lénard
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durchgängig, sodass der Notarzt sofort einen Zugang zu ihrer Vene hatte. Jede Sekunde war entscheidend. Micas Blutdruck war aber bereits so stark abgefallen, dass er sich nicht zu einer Aussage hinreißen ließ. Während der Rettungswagen vorsichtig wieder bergab fuhr, versuchten zwei Menschen das Leben von Mica zu retten.
    Inzwischen hatte Seppi dafür gesorgt, dass Micas Vater aus dem Keller in Obernkirchen befreit wurde. Und endlich waren auch zwei Streifenwagen auf dem Turmgelände angekommen. Sie luden Hetzers Hündin und die schlotternden Kommissare ein, die trotz ihrer Jacken immer noch froren. Hetzers Jacke musste gewaschen werden. Er hatte sich in eine Decke gehüllt. Die Beule unter der Fellmütze meldete sich pochend.
    Zu Hause nahm Moni ihm die Jacke mit spitzen Fingern ab und stopfte sie in die Waschmaschine. Sie fragte nichts. War nur froh, dass er wieder da war. Gaga wedelte und legte sich vor den Ofen.
    „Möchtest du vielleicht dein Dessert?“
    „Ja, das wäre lieb.“
    Das war das Einzige, was er sagte. Zu sehr war er mit sich und seinen Gedanken beschäftigt. Er aß fast mechanisch und hätte später nicht mehr sagen können, was es gewesen war.
    „Ich glaube, ich muss noch mal ins Krankenhaus“, sagte er irgendwann in die Stille.
    „Ist gut. Soll ich warten, bis du wiederkommst?“
    „Das kann ich nicht erwarten. Ich habe dir eh schon das Fest verdorben.“
    „Es war immerhin weniger einsam als zu Hause, wegen der Kater.
    „Dann bleib doch noch. Ich weiß aber nicht, wann ich wiederkomme.“
    „Möchtest du, dass dann jemand da ist?“
    „Ich weiß es nicht.“
    Mit Lederjacke, Schal und Mütze – darüber freute sich Moni – stapfte Hetzer zur Garage. Mist, er musste erst den Schneeschieber aus dem Schuppen holen. So bekam er die Türen gar nicht auf.
    Der Wagen sprang sofort an und arbeitete sich mit den Schneeketten langsam bergab. Es lohnte sich nicht, sie für das kurze Stück Straße abzumontieren. Denn auch dort lag eine geschlossene Schneedecke. Außerdem musste er später auch wieder bergauf.

16. Juli 1963, 22:59 Uhr
    Gisela wachte wieder auf. Otto war endlich gekommen.
    „Sieh nur, da ist sie, unsere Susi. Ist sie nicht süß. Ich möchte sie Susanne Michaela nennen.“
    „Sie ist zauberhaft, die Kleine. Ich habe sie durch die Scheibe des Säuglingzimmers gesehen. Die Schwester hat sie mir gezeigt. Die Namen, die du dir überlegt hast, sind wunderschön, aber wir sollten sie nach meiner Mutter Mechthild benennen und die anderen Namen anfügen. Das sind wir ihr und unserem altehrwürdigen Familiennamen schuldig. Wir können sie ja Susi rufen.“
    Otto nahm auf dem Stuhl neben dem Bett Platz und streichelte die Wangen seiner Frau.

In der heiligen Nacht
    Mica lag auf der Intensivstation. Zahlreiche Schläuche führten zu ihrem Körper und von dort wieder weg. Hetzer hatte sich umziehen müssen und saß nun an ihrem Bett. Sie läge im Koma, hatten die Ärzte gesagt, und es sei ungewiss, ob sie die Nacht überleben würde. Der Schockzustand hatte wichtige Organe nicht mehr richtig versorgt. Es war auch fraglich, ob ihr Gehirn noch genug Sauerstoff bekommen hatte.
    Wolf nahm ihre Hand und streichelte sie. Wahrscheinlich würde sie das gar nicht mitbekommen, aber vielleicht löste es wenigstens ein wohliges Gefühl aus. Niemand konnte das mit Sicherheit sagen.
    Wenn sie nun ein Pflegefall würde, hätte sich ihr letzter Wunsch nicht erfüllt, dachte Hetzer. Sie hatte in Würde sterben wollen. Nicht dahinvegetieren. Vielleicht eine schlimmere Strafe als das Gefängnis oder die geschlossene Anstalt, aber sie würde es nicht merken.
    Leise stand er auf. „Frohe Weihnachten, Mica. Du wirst mir fehlen“, flüsterte er und streichelte zum Abschied ihre Wange. Auf dem Flur nickte er den Schwestern zu, die ihren 24. Dezember wohl auch lieber anders verbracht hätten. Als er total erschöpft zu Hause ankam, war es bereits nach Mitternacht. Der erste Weihnachtstag war angebrochen. Noch im Auto stellte er sein Handy aus und beeilte sich, ins Haus zu kommen.
    Moni war noch da. Sie schlief auf dem Sofa zwischen den Katern. Auch das Feuer glomm nur noch müde hinter der Scheibe. Er war froh, dass sie da war.
    Nun konnte es Weihnachten werden unter der Frankenburg.

Danksagung
    Mein besonderer Dank gilt dem polizeilichen Fallanalytiker des LKA Niedersachsen Carsten Schütte. Seine fachlich wichtigen Anmerkungen enthielten so viel Charme und Esprit, dass es eine Freude war, sie zu lesen
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