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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Autoren: Lynn Flewelling
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sie dem Magier entgegen.
    »Tatsächlich höchst seltsam«, grübelte Nysander, und seine buschigen Brauen sträubten sich. »Das Problem muß in den Zeichen auf Seregils Narbe zu finden sein.«
    Seregil betrachtete sie in einem Handspiegel. »Die Seite der Scheibe, die sich in Alecs Hand gebrannt hatte, war glatt, ohne jegliche Verzierung. Aber die Zeichen auf meiner Brust werden deutlicher statt schwächer. Spürst du denn keinerlei Magie, die hiervon ausgeht?«
    »Nein«, erwiderte Nysander. »Es muß somit an der Anordnung der Zeichen selbst liegen, was immer sie auch bedeuten mögen.«
    Seregil sah hoch. »Und du kennst ihre Bedeutung wirklich nicht?«
    »Ich erkenne das Siegel, wie ich schon sagte. Aber was dahintersteckt, ist mir ebenso ein Rätsel wie dir. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    »Dann sind wir wieder dort, wo wir begonnen haben«, rief Alec verzweifelt aus.
    »Vielleicht nicht«, meinte Nysander leise, als er Seregils Narbe ein letztes Mal berührte und schließlich wieder seinen Zauber darüber sprach. »Es tauchte wieder auf, als Seregil mit Thero den Körper tauschte, und dann erneut, als er sich aus der Eulengestalt zurückverwandelte. Das muß einen Grund haben, aber ich weiß noch nicht welchen.«
    »Es bedeutet, daß ich den Rest meines Lebens immer wieder zu dir zurücktrotten darf, damit du es wieder mit deinem Bannspruch verdeckst«, murrte Seregil, als er sein Hemd anzog. »Ich wette, Valerius könnte sie entfernen.«
    »Das darfst du nicht tun. Zumindest noch nicht jetzt. Das Zeichen zu vernichten, ehe wir wissen, was es bedeutet, könnte sich als unklug herausstellen. Ertrage es noch eine Weile, mein lieber Junge. Vielleicht wird es uns noch gelingen, das Rätsel zu lösen. In der Zwischenzeit sieht es aus, als würde es dir keinen Schaden zufügen.«
    »Es hat ja schon genug Schaden angerichtet!« Seregil blickte finster drein. »Sei vorsichtig, Nysander. Wir sind in der Nähe, wenn du uns brauchst.«
     
    Nysander zog sich in sein Wohnzimmer zurück, nachdem sie fort waren. Müde sank er in seinen Sessel, ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken und rief die Eindrücke ins Gedächtnis zurück, die er von der Narbe erhalten hatte – den Stern, den Klang des Meeres, den blauen Blitz, das angedeutete Gesicht …
    Sein Kopf schmerzte. Seit dem Sturm auf die Burg hatte er sich keine Ruhe mehr gegönnt, und er war erschöpft, zu erschöpft, um die Sache nun weiter zu verfolgen. Er entschied, daß er ein wenig in seinem Sessel schlafen sollte. Später würde er die notwendigen Vorbereitungen treffen, und danach würde er weiter über die Angelegenheit meditieren.
    Die Stille des Raumes legte sich um ihn wie eine weiche, gemütliche Decke. Die Wärme des Feuers war wie Sommersonnenschein auf der einen Seite seines Gesichts – so angenehm, so sanft wie der zarte Kuß einer Frau. Als er tiefer in diese willkommene Stimmung versank, fühlte er unter seiner Hand wieder Seregils Brust, die winzigen Schwellungen der Narbe berührten seine Handfläche.
    Aber nun war Seregils Haut kalt, kalt wie der Marmor einer Statue …
    Nysander bewegte sich unruhig in seinem Sessel. Eine Vision, dachte er mit Schrecken. Ich bin zu erschöpft für Visionen …
    Aber sie kam ungeachtet seiner Müdigkeit.
    Er stand in der Eingangshalle des Orëska. Heller Sonnenschein fiel durch die große Kuppel und wärmte ihn auf angenehme Weise. Andere Magier gingen an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. Schüler bei ihren täglichen Aufgaben eilten vorüber.
    Aber dann sprach die Stimme, und alle um ihn erstarrten zu Marmorstatuen.
    Die Stimme kam von irgendwo hinter ihm, ein schwaches, düsteres Lachen, das aus den Tiefen des steinernen Fußbodens vibrierte. Er fühlte es in den Fußsohlen. Er blickte hinunter und erkannte zum ersten Mal, daß der Mörtel im Mosaik lose war. Große Teile des stolzen Drachen von Illior waren verrutscht und die bunten Fliesen zu Staub zertreten.
    Die Stimme erklang wieder, er wandte sich um und schritt durch eine starre Menge zum Museum. Jenseits der schattigen Halle, hinter den Reihen der Schaukästen, stand die Tür zur Vorkammer der Gewölbe leicht geöffnet.
    Als er sich ihr näherte, hörte er ein leises Schlurfen, das sich in der Dunkelheit voraus verlor. Es war ein kratzendes, klickendes Geräusch, das offensichtlich nicht von den Ratten stammte. Etwas brach unter seinen Füßen, ein Stück Holz. Die Vitrine, die die Hand Tikárie Megareshs beherbergt hatte, war leer. Ein
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