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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
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in Fahrt gekommen war. »Ich weiß nicht, warum du nicht willst, dass ich dich Rose nenne.«
    »Du weißt ganz genau, warum.« Ihr Magen krampfte sich noch stärker zusammen. »Ich mag es einfach nicht. Außerdem ist es nicht einmal mein Name.«
    »Es ist ein Teil deines Namens!« Er beugte sich vor. »Rose.«
    »Nicht, Martin.«
    Sie wandte den Blick ab und starrte blinzelnd hinauf in das Flickwerk aus Himmel und immergrünen Tannennadeln über ihnen. Selbst nach beinahe zwei Jahrzehnten hatten die Worte ihrer Großmutter nichts von ihrer schmerzhaften Wirkung verloren.
    »Wir können sie nicht länger Rose nennen«, sagte Großmutter.Sie war nach Mutters Beerdigung in die Stadt gekommen, um sich selbst ein Bild davon zu machen, was aus den Kindern ihrer Stieftochter geworden war. Mirandas Mutter hatte die Frau nie gemocht, und Miranda mochte sie ebenso wenig.
    »Warum nicht?«, fragte Vater aufrichtig verwirrt.
    In ihrem Versteck im Salon hinter dem Paravent aus chinesischer Seide wand Miranda sich unbehaglich.
    »Hast du dir das Kind in letzter Zeit einmal angesehen?«, antwortete ihre Großmutter gereizt.
    »Natürlich habe ich das, Lillian. Erst acht und schon eine Schönheit, die ihresgleichen sucht.« Er lachte leichthin und ein wenig nervös. Großmutter machte Vater immer nervös.
    »Ich fürchte, Schönheit ist alles, was sie zu bieten hat. Sie besitzt weder Poppys gesunden Menschenverstand noch Daisys Konversationsgabe. Ohnehin ist sie schon merkwürdig genug mit dieser …« Sie verstummte mit einem missbilligenden Zischen.
    Vater gab einen Laut des Protests von sich, während vor Mirandas Augen eine tintenschwarze chinesische Pagode zu tanzen begann.
    »Genug der Diskussion, Hector. Ich habe mich entschieden. In Zukunft nennen wir sie Miranda. Schließlich ist das ebenfalls ihr richtiger Name. Vergiss nicht, Hector, Eitelkeit ist eine Sünde. Und Mirandas Sünden sind ohnehin schon groß genug.«
    Entschlossen kniff Miranda die Lippen zusammen und verdrängte die Erinnerung aus ihrem Gedächtnis. »Nenn mich einfach nicht so.« Eigentlich sollte sie ihm sagen, warum, doch sie brachte es nicht über die Lippen.
    Martin zog eine finstere Miene, sprang dann aber leichtfüßig auf. »Manchmal verstehe ich dich einfach nicht.« Er hielt ihr eine Hand hin. »Sonst noch irgendwelche Befehle für heute oder können wir jetzt gehen?«
    Sie hatte seine Gefühle verletzt. Wie es schien war sie ziemlich geübt darin, Gefühle zu verletzen. Miranda nahm seine Hand und ließ sich von ihm hochhelfen. »Keine weiteren Befehle«, antwortete sie sanft, dann küsste sie ihn auf die Wange. »Nur das hier.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde warm. »Na, das lasse ich mir doch gern gefallen.«

3
    Zentralmexiko, 15. März 1881
    Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Ruhelos, rastlos, immer auf der Suche – nach einem Heilmittel. Archer schloss die Augen. Er war es leid, nur wieder eine weitere Wüste vor sich zu sehen. Das Gefühl von Dringlichkeit in ihm hatte nicht nachgelassen, sondern war noch stärker geworden, bis es jeden einzelnen Muskel fest im Griff hatte. Er wollte rennen, zuschlagen, zerfetzen, egal was, wenn es nur dieses drängende Verlangen linderte. Doch es gab nichts. Er konnte nichts anderes tun, als weiterzusuchen.
    Also war er nun hier, in einer fremden Wüste in Mexiko, und folgte wieder einmal einem gut bezahlten Führer und einer Gruppe von eingeborenen Indios auf der Suche nach ihrem heiligen Land. Sein neuer Führer, Michael Smith, war ihm ein Rätsel. Anders als seine bisherigen Führer schien Smith kein anderes Ziel zu verfolgen, als von einem Tag zum anderen zu leben. Himmel, Smith hätte die Aufgabe vermutlich auch dann noch übernommen, wenn er dem Mann nur die Hälfte bezahlt hätte. Als Archer ihn angesprochen hatte, hielt Smith gerade in einer heruntergekommenen Cantina Siesta, nuckelte an einer Flasche Tequila und spielte Schach mit einem Indio.
    Eine warme Brise strich sanft durch die Bar im Freien und trug Archer den Geruch von gebratenem Maismehl und gerösteten Chilischoten in die Nase. In das Zirpen der Zikaden mischte sich das melancholische Lied einer einsamen Gitarre. Als Archer an Smiths Tisch trat, begann der Gitarrenspieler zu singen, klagend und heulend wie die Kojoten, die die Wüste in dieser Gegend durchstreiften.
    Die Bar war so gut wie ausgestorben. Abgesehen von Smith und seinem Schachpartner befanden sich nur zwei Personen in dem Raum: der füllige Barkeeper, der träge
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