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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
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an der Theke lehnte, und ein Mexikaner, der an einem Tisch in der Nähe seine Suppe löffelte.
    Beide Männer blickten hoch und starrten Archer nach, als er an ihnen vorbeiging. Vielleicht war es eher ihre Überraschung als das Auftauchen von Archer, die Smith dazu veranlasste, den Kopf zu heben. Archer hatte den Eindruck, dass Smith seine Umgebung zwar wahrnahm, ihr aber nur dann Beachtung schenkte, wenn ihm danach war.
    Smith beäugte ihn nicht mit Erstaunen oder Entsetzen, sondern mit nachdenklicher Faszination.
    »Guten Abend.« Archer blieb vor ihm stehen. »Sie sind Michael Smith, nicht wahr?«
    Es hieß, der Amerikaner lebte schon in Mexiko, seit Abraham Lincoln 1865 während der französischen Intervention den Mexikanern Truppen zur Unterstützung gesandt hatte. Smith, damals Sergeant, hatte seine Pflicht getan und war dann umgehend desertiert.
    Der Mann hob einen Mundwinkel zu einem dünnen Lächeln. »Das behauptet meine geliebte Mutter jedenfalls.«
    Archer warf einen kurzen Seitenblick auf den Mann, der mit Smith Schach gespielt hatte und der ihn nun aus schwarzen Augen anstarrte, dann wandte er sich wieder Smith zu. »Könnte ich unter vier Augen mit Ihnen sprechen?«
    Mit einem Nicken bedeutete Smith seinem Kameraden, sich zu verziehen, dann lehnte er sich auf dem knarrenden Stuhl zurück, um Archer zu mustern, während dieser den frei gewordenen Platz des Mannes einnahm.
    Smith bewegte sich mit der Trägheit eines alten Mannes, dennoch wirkte er fit und durchtrainiert. Fahlgelbes Licht von einer schaukelnden Öllampe über ihren Köpfen verlieh seinem dunkelbraunen Haar einen grünlichen Schimmer. »Ziemlich ungewöhnliche Aufmachung, mein Freund.«
    Archer hatte versucht, sich unauffällig zu kleiden, indem er sich in formlose Sachen aus Batist und Baumwolle hüllte,
    wie auch Smith sie trug. Aber unauffällig zu sein war unmöglich, wenn man stets sein Gesicht verhüllen musste. Er hatte sich damit beholfen, Leinenbandagen um seinen Kopf zu wickeln und sich einen abgetragenen, breitkrempigen Hut tief in die Stirn zu ziehen. Seine Hände verbarg er in dünnen Lederhandschuhen. Wenigstens war es hier trocken und kühl, nicht wie in der feuchten Hölle des brasilianischen Dschungels. Archer wollte sich lieber nicht an diese Reise erinnern. Es gab Orte, die machten einem Angst, und es gab Orte, die verursachten Albträume. Der Amazonasdschungel gehörte zu letzteren.
    »Glauben Sie mir«, entgegnete Archer, »es ist besser, das hier zu tragen, als zu zeigen, was sich darunter verbirgt.«
    Smiths Miene blieb teilnahmslos. »Was kann ich für Sie tun?«
    Archer widerstand dem Drang, die Fäuste zu ballen. »Ich habe gehört, dass Sie ein Treffen mit den Huicholen arrangieren können.«
    Smith gab einen amüsierten Laut von sich, während er sich ein Glas Tequila einschenkte. Vor Archer stand ein leeres, bereits benutztes Glas, das Smith ebenfalls füllte. »Was wollen Sie von denen?«, fragte er.
    »Sie sollen über große Magie verfügen.« Archer kam sich wie ein Narr vor, dass er es überhaupt aussprach, aber die Verzweiflung konnte den Stolz eines Mannes in Stücke schlagen. »Groß genug, um das Unmögliche möglich zu machen.«
    Sekunden verstrichen. Klagender Gesang und der Schrei eines vorbeitrottenden Esels füllten die Stille, während Smith Archer mit ausdrucksloser Miene anstarrte. Der starrte unnachgiebig zurück. Endlich machte Smith eine wegwerfende Handbewegung, eine winzige Geste nur, dennoch schmerzte sie.
    »Kann Ihnen nicht helfen. Sie wurden falsch informiert. Gehen Sie zurück nach England.«
    »Dann suche ich mir einen anderen Führer.«
    »Der Sie nirgendwohin bringen wird.« Smith nahm einen kräftigen Schluck. »Selbst wenn die Huicholen Ihnen helfen könnten, sie werden’s nicht tun. Nicht irgendeinem Gringo und Außenstehenden.«
    »Vielleicht würden sie mein Leiden als Herausforderung betrachten?«
    »Das bezweifle ich, mein Freund.« Mit hörbarem Kratzen rieb Smith über den Bartschatten an seinem Kinn. »Was haben Sie denn? Lepra? Die Pocken?«
    Jetzt war Archer es, der lachte. »Wenn’s nur das wäre.«
    Kurz sah er das schmierige Glas vor ihm an, dann nahm er es entschlossen und kippte den Inhalt mit einem einzigen Schluck hinunter. Heißes Feuer brannte seine Kehle hinunter und breitete sich in seinem Magen aus. Er hielt den Blick weiter auf Smith gerichtet, hatte sich jedoch alle Fluchtwege eingeprägt und wusste, wie viel Zeit er brauchte, um zu entkommen, falls
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