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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
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blies sich die ältere Frau eine stahlgraue Locke aus der müden Stirn. »Nimm ihn, und bezahl ihn mir Ende der Woche. Gewiss wird dir dein Vater bis dahin ein bisschen Zaster geben.«
    Miranda schloss die Finger um den heißen Kaffeebecher, um nicht der Versuchung nachzugeben, nach dem Muffin zu greifen. »Ich spare alles, was ich habe. Für ein Kleid«, fügte sie ohne nachzudenken hinzu. Eigentlich sollte sie für praktische Dinge sparen, doch diesen einen Luxus brauchte sie. Sie verstand diesen Drang zwar nicht, aber er war stark. Nur eine einzige schöne Sache für sie selbst. Nur ein einziges Mal.
    Alice’ Augen leuchteten auf. »Oho? Ein Hochzeitskleid vielleicht? Hat dein Kavalier endlich seinen Mut zusammengekratzt, was?«
    Wie ärgerlich, dass Miranda im Alter von zwanzig Jahren immer noch errötete. Alice lachte und schob den Muffin näher zu ihr. »Ich denke mal, Hector weiß noch nichts davon.«
    »Nein. Ich werde es ihm erst sagen, wenn …« Um ehrlich zu sein, würde sie es ihrem Vater am liebsten erst mitteilen, wenn sie aus der Tür ging. Sie wollte sich nicht anhören müssen, dass sie sein Leben ruiniert und sein Vermögen verloren hatte. Miranda nahm noch einen kräftigenden Schluck Kaffee, bevor sie fortfuhr. »Wenn es dir nichts ausmacht …« Sie hätte gar nicht erst davon anfangen sollen. Der Gedanke, dass ihr Vater von ihrer Verlobung erfahren könnte, verursachte ihr Übelkeit.
    »Du brauchst nichts weiter zu sagen.« Ein breites Lächeln voll grauer, glänzender Zähne blitze auf. »Und jetzt nimm den Muffin, ja? Betrachte ihn als Geschenk.«
    »Ein Geschenk, sagst du?«, erklang eine fröhliche männliche Stimme. Eine warme Hand legte sich um Mirandas Taille und drückte sie, während eine andere Hand über ihre Schulter griff und sich den Muffin schnappte.
    Lächelnd drehte Miranda sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Martin Evans von ihrem Muffin abbiss.
    »Ein Geschenk für mich.« Sie nahm ihm den Muffin wieder weg. »Besorg dir selber einen.«
    Kauend grinste er sie an. »Soweit ich gehört habe, war er ein Verlobungsgeschenk, was darauf schließen lässt, dass das Geschenk sowohl für die Braut als auch den Bräutigam gedacht ist.«
    »Sehr logische Schlussfolgerung.« Sie steckte sich den Rest des Muffins in den Mund, bevor er ihn sich zurückholen konnte. Manchmal behandelte Martin sie immer noch wie das kleine Mädchen, mit dem er Piraten gespielt hatte, bevor ihr schrecklicher Fehler sie beinahe umgebracht und alles ruiniert hatte. Manchmal dagegen … nun, daran wollte sie lieber nicht vor Alice, der Kaffeeverkäuferin, denken.
    Martins goldbraune Augen funkelten. »Na, komm!« Er warf Alice eine Kupfermünze zu. »Dann will ich mit meinem braven Mädchen mal eine Runde spazieren gehen.«
    Miranda bedankte sich bei Alice, dann nahm sie den Arm, den Martin ihr anbot. »Himmel, du lässt es so klingen, als wäre ich ein Hündchen.«
    »Ein sehr hübsches Hündchen«, entgegnete er ernst, bevor er in Kichern ausbrach. Seine goldenen Locken hüpften, wenn er lachte, so als lache alles an ihm mit.
    Leichtigkeit und Freude erfüllten ihr Herz, während sie an seiner Seite ging. Sie hatte noch Taschen zu leeren, eine Anzahlung für ihr Kleid zu machen und ein Abendessen für ihren Vater herbeizuzaubern, aber dieses kleine Glück sollte ihr zuerst gegönnt sein.
    »Hast du denn keine Arbeit zu erledigen?«, neckte sie ihn.
    Martin hatte eine begehrte Stelle als Angestellter bei einer der Schifffahrtsgesellschaften ergattert, die aus den riesigen Lagerhäusern heraus operierten, wie ihr Vater einst eines besessen hatte. »Mein Vorgesetzter hat mir als Belohnung für meinen Fleiß jeden ersten Samstag im Monat freigegeben.«
    Er wusste nichts von ihrer Arbeit, sofern man Taschendiebstahl überhaupt als Arbeit bezeichnen konnte. Martins Vater war einer der Hauptinvestoren ihres Vaters gewesen. Seine Familie hatte in jener Nacht ebenfalls alles verloren, doch Martin hatte ihr nie die Schuld dafür gegeben. Dennoch wollte sie nicht riskieren, dass er von ihr enttäuscht sein könnte. Sie waren beide ins Unglück gestürzt, aber sie durfte ihn nicht sehen lassen, wie tief sie gesunken war.
    »Und jetzt keine weiteren Fragen mehr!« Spielerisch kniff er sie in die Nase. Seine Augen verdunkelten sich zu rauchigem Topaz. »Wir haben nur eine Stunde.«
    Hitze strömte ihr in Hals und Wangen. Bald würden sie sich im entlegensten Winkel des Hyde Park befinden, im dichten Gebüsch
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