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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
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sehnte er sich mehr als nach seinem nächsten Atemzug. Aber wie konnte er erwarten, dass sie dieses Ding lieben konnte, zu dem er geworden war? Welche Frau würde schon ein Monster wollen?
    Dennoch war er beunruhigt und machte sich Sorgen um sie. Er konnte nicht genau sagen, warum, nur, dass er das Gefühl hatte, dass sie litt, dass sie ihn ebenfalls brauchte. Wunschdenken, und doch setzte er einen Brief an seinen Mann in London auf, während der Zug dampfend auf den Gleisen in Richtung New York dahinratterte. Der letzte Bericht war schon zu lange her, und Archer musste wissen, wie es seiner nichts ahnenden Verlobten erging.
    #
    London, 20. Mai 1879
    Sie saßen zusammen auf dem kleinen Balkon an der Vorderseite ihres Hauses. Einst waren diese Romeo-und-Julia-Balkönchen sehr modern gewesen, damals in den Tagen, als schöne – oder doch zumindest schön gekleidete – Ladys und Gentlemen die Welt dazu einluden, sie und ihre Eskapaden zu bewundern. Vor beinahe einem Jahrhundert. Jetzt zog die anständige Gesellschaft es vor, sich hinter schweren Gardinen zu verstecken und das perfekte Bild familiärer Harmonie zu vermitteln. Da Mirandas Heim längst nicht mehr zur modischen Gesellschaft gehörte, hatte man ihren Balkon nicht im Namen der Verschönerung abgerissen. Sie zumindest war froh darüber.
    Billy lehnte mit dem Rücken an der Wand. Seine Haltung war steif und unbequem, aber seine Genesung schritt voran. Gut genug, um darauf zu bestehen, dass er etwas frische Luft brauchte.
    »Ich bin keiner, der gern im Bett rumlümmelt. Außer«, er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, »für ’n bisschen Matratzensport.«
    Von dieser Übelkeit erregenden Bemerkung einmal abgesehen gab er eigentlich eine ziemlich gute Gesellschaft ab, da er nicht versuchte, die Stille zu füllen oder Miranda mitleidig anzusehen.
    Eine warme Brise strich über sie hinweg, als er schließlich wieder sprach. »Wir sollten Partner werden.«
    Miranda bewegte sich unbehaglich. »Partner?« Nachdem sie zwei Tage lang immer wieder geweint hatte, kamen die Worte kamen nur noch als Krächzen heraus.
    Er fing ihren Blick auf und lachte. »Immer mit der Ruhe, so mein’ ich das nicht mit dir.« Etwas, das Miranda nur als äußerste Konzentration deuten konnte, legte sich über seine Züge. »Was für ein Schurke ich auch sein mag, ich will trotzdem nicht … Es is’ komisch, wo du doch rattenscharf aussiehst, aber ich krieg bei dir keinen Steifen.«
    Sie prustete los, wurde dann bei seiner leicht beleidigten Miene aber wieder nüchtern. »Ist schon gut. Ich finde dich auch nicht auf dieses Weise attraktiv.«
    Er nickte nachdenklich. »Is’ so, als wärst du meine Schwester Nell, oder so.«
    »Du hast eine Schwester?« Würde sie sich Sorgen um ihn machen? Sich fragen, wohin er verschwunden war?
    »Hatte.« Er schnippte ein abgeblättertes Stück Putz über die Brüstung, und sie beobachteten, wie es von einer Mülltonne abprallte. »Ist vor sechs Jahren gestorben.«
    Sanft berührte sie seinen Ellbogen. »Das tut mir leid.«
    »Is’ schon gut.« Sie schwiegen einen Augenblick. »So wie ich das seh’, brauchst du ’ne Ablenkung und Kohle«, meinte er mit einem Schulterzucken, das ihn vor Schmerz das Gesicht verziehen und dann eine etwas bequemere Haltung einnehmen ließ. »Ich brauch Kohle und einen Partner, der genauso furchtlos ist wie ich.« Er sah sie von der Seite an. »Außerdem hat dein kleines Geheimnis mehr Wumms als die beiden Arme von George dem Hammer zusammen. Und jeder mit ’nem bisschen Grips hat Angst vor seinem Schlag.«
    Sie versteifte sich. »Das werde ich nicht mehr tun. Nie wieder.«
    »Oh doch, das wirst du«, sagte er voll tiefster Überzeugung. »Eine Katze, die man in die Ecke drängt, fährt die Krallen aus. Und warum auch nicht, wa? Eines Tages wirst du für dieses Feuer noch mal dankbar sein, denk an meine Worte.«
    Ihre kalten Finger verkrampften sich. »Nein. Da irrst du dich.« Sie würde nicht zu einem Monster werden. Diese Genugtuung würde sie Martin nicht geben.
    Billy gab einen gleichgültigen Laut von sich. »Weiß nicht, warum du vor einem verdammt nützlichen Talent so viel Angst hast.«
    »Ich habe keine Angst«, entgegnete sie mit mehr Überzeugung, als sie tatsächlich verspürte. »Es ist einfach nur müßig, weil ich es nicht mehr einsetzen werde.«
    »Dann hörst du mit dem Schere machen auf?« Seine Miene war gelinde gesagt skeptisch. Ihre Eingeweide krampften sich zusammen, und der Drang, seinem
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