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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
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verheimlichten, dass die meisten von ihnen aus der Gosse gekommen waren. Für sie war es unwichtig, dass Mayer der Umgang mit Zahlen und dem Bankgeschäft so leicht fiel wie das Atmen. Es war unwichtig, dass er sich nur die Geschäftsberichte eines Unternehmens anzusehen brauchte, um genau zu wissen, wo die Schwachstellen lagen und wie man sie ausmerzte. Sie sahen nur einen nicht vertrauenswürdigen, gierigen Juden.
    Jede Tür in New York war ihm vor der Nase zugeschlagen worden. Bis Mr. Wallace ihn gefunden und zu seinem persönlichen Sekretär und Faktotum gemacht hatte. Weil Mr. Wallace seine Talente schätzte. Die anderen, so pflegte Wallace zu sagen, konnte sich zum Teufel scheren.
    Mayer musste sich letztlich eingestehen, dass Mr. Wallace absolut einzigartig war, wenn es um Geschäfte und Finanzen ging. Also lernte Mayer von ihm, so viel er konnte. Und gemeinsam hatten sie New York praktisch erobert. Was Mayer ehrlich gesagt ziemlich amüsant fand, da sie es vollständig hinter verschlossenen Türen getan hatten. Die Außenwelt bekam Archibald Wallace, oder Archer, wie Gilroy ihn einmal genannt hatte, kaum jemals zu Gesicht. Und der Mann wurde zu einem Mythos – der geheimnisvolle englische Gentleman, der wie aus dem Meer geboren in New York City aufgetaucht war und ein Imperium aus dem Nichts geschaffen hatte.
    So stand Mayer an diesem trüben New Yorker Morgen bereit und wappnete sich für den Anblick seines Arbeitgebers, denn beim ersten Mal durchzuckte ihn stets ein Stich des Befremdens, und Mayer durfte sich dies nicht anmerken lassen.
    Mr. Wallace war drei Jahre lang von New York fort gewesen. Und obwohl er während dieser ganzen Zeit in ausführlichem Briefwechsel mit Mayer gestanden hatte, hatte dieser keine Ahnung, wo sein Boss sich aufgehalten hatte und warum.
    Aber jetzt war er wieder hier. Mayer hoffte, dass Wallace ihn heute zu sich hatte rufen lassen, um ihm zu sagen, wo er gewesen war. Allerdings machte er sich keine allzu großen Hoffnungen.
    »Sir«, setzte er an, als Mr. Wallace einfach nur dasaß, aus dem Fenster starrte und dabei zusah, wie der Regen den Broadway in eine Studie nasser Schwarz- und Grautöne verwandelte, eine wogende Schlange aus Kutschen und Schirmen, während die Bevölkerung ihren Geschäften nachging.
    Wallace’ große Gestalt war wie aus Stein, die einzige Bewegung kam von dem schlanken Messer, das er in seiner Hand herumwirbelte. Es war eine elegante Waffe aus poliertem Stahl mit einem Griff aus schwarzer Emaille. Wallace hatte das Messer stets in der Hand, ließ es durch seine Finger tanzen, über sein Handgelenk, mit komplizierten Bewegungen, die so schnell waren, dass sie es in ein silbernes Blitzen verwandelten. Es entspannte ihn eindeutig, und es wirkte so mühelos und kunstfertig, dass er es vermutlich sogar im Schlaf konnte.
    »Der Vertrag auf dem Tisch, Mayer.« Wallace’ tiefe Stimme ließ Mayer beinahe zusammenzucken. »Lesen Sie ihn durch und sehen Sie, ob er Ihnen zusagt.«
    Mit einem verwirrten Stirnrunzeln beugte Mayer sich vor, um den fraglichen Vertrag zu studieren, und ein scharfes Keuchen entfuhr ihm, als die Worte allmählich Sinn ergaben. Seine Hände zitterten, als er den Blick hob. »Sie machen mich zu Ihrem Partner?«
    »Gleichberechtigter Partner und offizieller neuer Geschäftsführer von Wallace Steel. Ich habe dem Unternehmen nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet. Sie sollen es besser machen.« Mr. Wallace gab einen amüsierten Laut von sich. Das Messer in seiner Hand kam unvermittelt zum Stillstand, und er legte es vorsichtig auf den Schreibtisch, bevor er sich Mayer zuwandte. »Sagen Sie mir nicht, dass Sie dagegen etwas einzuwenden haben, Mayer.«
    Nein, das hatte er nicht, er war schließlich kein Narr. Aufregung, Schock und freudige Erwartung loderten wie eine Flamme in ihm auf, und er konnte sich nicht entscheiden, ob er laut jubeln oder aus dem Zimmer laufen wollte.
    »Veränderungen sind nie einfach«, meinte Wallace, als könne er seine Gedanken lesen. »Es besteht immer das Risiko zu versagen.«
    »Wenn es Gott gefällt, dann soll es so sein.« Schnell klappte Mayer den Mund wieder zu und verfluchte sich innerlich, in Gegenwart seines Arbeitgebers von Religion gesprochen zu haben. Doch Wallace musterte ihn nur nachdenklich.
    »Absolut«, sagte er schließlich mit sanfter Stimme. »Lassen wir Gott die Antwort geben.«
    Das war nicht ganz, was Mayer gemeint hatte, aber er enthielt sich eines Kommentars, während Wallace auf das
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