Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer
Autoren: Kristen Callihan
Vom Netzwerk:
Blick auszuweichen ließ Hitze in ihre Wangen steigen.
    »Nein«, antwortete sie.
    »Dacht’ ich mir.« Er wandte sich ihr ganz zu. »Hast ’ne bessere Möglichkeit gefunden, dich zu verteidigen?«
    Sie starrte ihn einfach nur finster an.
    »Hör mal, Beutelziehen ist was für Babys. Wenn du schon rausgehst, dann lass mich dir ’n anderes Spielchen zeigen. Eins, bei dem wir mehr Kohle machen können und du nicht völlig auf dich allein gestellt bist.«
    »Ich weiß nicht.« Abwesend steckte sie die Hand in ihre Tasche, um die darin verborgene Münze zu berühren. Seine Münze. Sie holte sie nicht heraus, damit Billy sie nicht zu sehen bekam. Miranda traute dem Schurken noch immer nicht weiter als sie ihn werfen konnte. »Ich denke daran, London ganz zu verlassen.«
    »Und wo willst du hin?« Billys empörter Tonfall implizierte, dass die Welt in ihrer Gesamtheit von den Flussarmen der Themse und des Lea zusammengehalten wurde.
    Ihr Daumen rieb über die unebene Oberfläche des Mondes in der Mitte der Münze. »Ich habe eine Tante in Frankreich. Das hat man mir zumindest gesagt.«
    »Bei den Froschfressern leben?« Er blähte die Nasenflügel. »Du hast nicht alle Tassen im Schrank, wenn du lieber bei ’nem Haufen geschniegelter Franzmänner leben willst, als mit mir loszuziehen.«
    Miranda verkniff sich ein Lächeln. »Vielleicht.«
    »Komm schon, Liebes, stell dir mal vor, was für ’n Haufen Beute wir machen könnten.« Wieder wackelte er mit diesen Augenbrauen, und sie hätte beinahe gelacht, was ihm nicht entging und ihn seinen Vorteil mit Nachdruck weiter ausbauen ließ. »Ich schätze, du magst den Kitzel der Gefahr. Bloß ’n kleines bisschen, wa? Raus mit der Wahrheit.« Er riskierte es, ihr mit seinem verletzten Arm einen kleinen Stups zu versetzen.
    Tat sie das wirklich? Miranda starrte hinaus über die dunstige Stadt, die sich vor ihr ausdehnte. In Londons dunklen Gassen konnte man verloren gehen. Oder gefunden werden. Der Gedanke rief ein kleines aufgeregtes Flattern in ihrem Bauch hervor.
    Aus einer Laune heraus holte sie die Münze hervor. »Kopf bedeutet, ich bleibe. Zahl, ich gehe.«
    Bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte, schnippte sie sie hoch in die Luft. Am höchsten Punkt schien die Münze kurz innezuhalten, als entscheide sie über ihr Schicksal. Sie fing das schwindende Licht ein und leuchtete einen kurzen Augenblick lang auf, dann fiel sie in ihre ausgestreckte Hand herab.
    Beide beugten sich über ihre Handfläche.
    »Ein Mond?« Billy verzog die dünnen Lippen. »Was ist das jetzt? Kopf oder Zahl?«
    Langsam ergriff ein Lachen von ihr Besitz, während sie die Finger um die Münze schloss. »Kopf. Eindeutig Kopf.«
    Sie holte tief Luft, und trotz des Schwalls an Ruß und Kohlenstaub, der ihr dabei in den Mund strömte, fühlte sie sich leichter, klarer. Hoffnung keimte in ihr auf, warm und glühend, wie ein Stück Glut, das endlich angefacht wurde. »Dann also Partner.«

8
    New York City, Mai 1881
    Isaac Mayer arbeitete nun schon seit genau acht Jahren für Archibald Wallace. Eine Ewigkeit, was Wallace Steel betraf. Mr. Wallace behielt seine Angestellten nicht lange. Er ersetzte sie entweder, wenn sie kündigten – meistens wegen schwacher Nerven – oder wenn er ihrer Neugier überdrüssig wurde. Nur Gilroy, sein Majordomus, blieb. Nicht, dass die meisten Leute Gilroy tatsächlich zu Gesicht bekamen. Er war eher so etwas wie ein Geist in der gewaltigen Maschinerie, die Wallace Steel darstellte, kümmerte sich um Mr. Wallaces Bedürfnisse und hielt die Welt fern.
    Was Mr. Wallace betraf, er war kein schlechter Arbeitgeber. Nicht im Geringsten. Die Hälfte der Zeit befand er sich außer Landes, auf Geschäftsreisen – oder zumindest behauptete er das. Nein, ganz und gar kein schlechter Arbeitgeber. Nur war man gezwungen, über seine äußere Erscheinung hinwegzusehen. Diese Übung hatte Mayer perfektioniert.
    Der Trick bestand darin, ihm in die Augen zu sehen. Den Rest meiden. Nur in die Augen. Diese Augen blickten scharfsinnig, das stimmte, aber niemals grausam, zumindest nicht ihm gegenüber. Bei Mr. Wallaces Konkurrenten sah die Sache anders aus.
    Und was kümmerte sich Mayer um Äußerlichkeiten oder Eigenheiten wie die von Mr. Wallace und seinem berüchtigten Kostüm? Nicht viele waren bereit, einen Juden einzustellen. Nicht in New York. Nicht hier, wo diese Geschäftsmänner vorgaben, längst vergessenem englischem Adel anzugehören und dabei die Tatsache
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher