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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Elinor über meine Schulter und trug sie hinaus zum Lieferwagen. Es war ein Kleinlaster – vielleicht derselbe, der Chris getötet hatte, wer weiß?
    Ich brauchte kein Licht, und so bestand keine Gefahr, dass man uns von der Straße aus beobachten konnte. In diese Gegend verirrten sich ohnehin nur selten Passanten. Ich hatte mir die Lage der Garage genauestens eingeprägt und arbeitete rasch. Ich schob Miss Marlyn auf den Fahrersitz und schloss die Tür. Dann nahm ich die Handkurbel und warf den Motor an. Zu diesem Zeitpunkt wand und krümmte sie sich und versuchte, Hände und Füße freizubekommen, doch ich kannte mich mit Knoten gut genug aus, um zu wissen, dass diese mindestens so lang halten würden, bis ich alles Nötige veranlasst hatte. Der Motor erwachte zum Leben und hustete blaue Qualmwolken in die Garage.
    Die Garage war sehr klein. Der Lieferwagen hatte rechts und links höchstens dreißig Zentimeter Raum. Das Beifahrerfenster stand ein Stück offen – weit genug, um die Abgase ins Wageninnere zu lassen, doch nicht weit genug, dass Miss Marlyn sich aus dem Auto winden konnte. Allmählich wurde die Luft dick. Ich schloss das Garagentor, ging in die Küche und wartete.
    Das war der schwierigste Teil – einfach nur in der Küche zu sitzen und den Uhrzeigern zuzuschauen, die sich im Schneckentempo weiterbewegten. Irgendwann beschloss ich, dass ich lang genug gewartet hatte. Ich trat ins Freie und atmete tief ein. Dann öffnete ich das Garagentor, rannte zum Wagen und entfernte Miss Marlyns Knebel und die Fesseln mit drei schnellen Schnitten. Ein scharfes Messer hatte ich mitgebracht. Innerhalb von zwei Minuten war ich wieder draußen und zog das Tor hinter mir zu. Ich habe Erfahrung darin, mich im Dunkeln zu bewegen. So etwas lernt man auf der Flucht.
    Ich bin froh, dass ich sie nicht sehen konnte und dass ich weder die Auspuffgase noch die Erniedrigung des Todes roch. Erst in der Küche pumpte ich wieder Luft in meine Lunge. Luft, die noch immer nach Nelken duftete.
    Und das war alles. Ich stellte sicher, dass ich im Haus keine Spuren hinterlassen hatte. Die zerschnittenen Fesseln und den Knebel nahm ich mit, verließ High Corner so diskret, wie ich gekommen war, und verschmolz mit der Dunkelheit der Armitage Road.
    Die Nachbarn haben vermutlich nicht einmal etwas bemerkt, denn sie wurden weder durch Hilferufe noch durch andere Geräusche aus dem Schlaf gerissen. Außerdem glaube ich, dass ich nicht der Einzige war, der an diese Hintertür klopfte und um Einlass bat. Die Art, wie Elinor mit gelöstem Haarknoten am Tisch saß und das Licht auf den sanften Flächen ihres Gesichts spielen ließ, hatte etwas Selbstbewusstes an sich gehabt. Ich denke, dass Elinor Marlyn sehr genau wusste, was sie tat.
     
    Für einen kurzen Augenblick lohnte sich, was ich getan hatte. Doch dann holte die Realität mich ein, und mir wurde klar, dass ihr toter Körper nur einer von vielen war, eine Leiche, wie ich sie in Italien und Nordafrika während des Krieges gesehen hatte. Vergeudetes Leben. Und ich war für ein weiteres verantwortlich.
    Weder brachte es mir Chris zurück noch half es Susie. Die Tat konnte meine Wut allenfalls für ein paar Sekunden besänftigen, die Reue aber blieb viele Jahre mein treuer Begleiter.
     
    Ich habe dich getötet, Elinor. Aber dein Geheimnis habe ich bewahrt. Dein Haus ist noch immer im Besitz deiner Familie. Du hast deine Würde nie verloren, Elinor Marlyn. Ich habe dich nicht verraten. Ich habe dir lediglich zu dem verholfen, was du verdient hast.

Vierter Teil
Oxford 2000

1
    George erging sich in einer einseitigen Auseinandersetzung. Er und Kate hielten sich im Garten auf. Merkwürdig, dachte Kate, wie wenig Zeit wir hier draußen verbracht haben, seit ich in High Corner wohne. Aber vielleicht war ich ja selbst diejenige, die immer im Haus bleiben wollte, und George hat sich mir nur angepasst. Vielleicht interessiert er sich auch nicht für Gärten.
    Zwar vernahm Kate seine Worte und wusste, dass er versuchte, sie von etwas zu überzeugen, doch sie hörte nicht richtig zu. Sie hatte seine Argumente mehr als einmal gehört und längst ihre Entscheidung getroffen.
    Irgendetwas landete auf Georges Hemdrücken, und er bewegte die Schultern, um es wieder loszuwerden. Doch was auch immer es sein mochte – es blieb an Ort und Stelle. George redete weiter. Kate blieb einen Schritt zurück und sah eine Schildwanze, die sich sehr grün gegen das Weiß seines Hemds abhob. Sie streckte die rechte
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