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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Menschheit.«
    »Ich habe mich nie auf Ihr Niveau begeben.«
    »Nein, das ist wahr. Ich würde niemals mit gestohlenem Benzin und Autoreifen handeln. Ich würde auch niemals solchen Abschaum wie Arthur und Danny Watts in mein Haus aufnehmen, nur um gutes Essen auf den Tisch zu bekommen. Mit Ihren schmutzigen Geschäften müssen Sie ja Unsummen verdient haben.«
    »Ein wenig Kapital war mir geblieben, und ich habe es gewinnbringend eingesetzt. Ich werde nie wieder arm sein, ebenso wenig wie meine Nichte, die eines Tages dieses Haus erbt.«
    »Trotzdem wussten Sie, dass Sie eines Tages würden bezahlen müssen.«
    »Wie melodramatisch Sie doch sein können, Mr Barnes!«
    Ich sah sie nur an. Ihre haselnussbraunen Augen blinzelten nicht, und sie senkte auch nicht den Blick.
    »Wie wollen Sie es anstellen?«, erkundigte sie sich. Selbst in diesem Moment wirkte sie noch arrogant. Sie glaubte nicht, dass ich sie wirklich töten würde. »Es ist nicht leicht, wenn man seinem Opfer dabei in die Augen sehen muss, nicht wahr?« Sie wandte ihren Blick nicht eine Sekunde von mir ab, als wäre ich das Opfer und nicht sie.
    Doch da irrte sie sich gründlich. Beim ersten Mal ist es noch schwierig, doch selbst dann hilft einem die Verzweiflung. Man weiß ganz genau, dass nur einer überleben kann und dass man nie, niemals mehr zurück in dieses Gefangenenlager will. Auch wenn man dafür durch die Hölle gehen müsste – man würde keinen Schritt zurückweichen. Man geht vorwärts, ganz gleich, was es kostet. Nein, nach diesem ersten Mal fällt es nicht mehr schwer. Und ich hatte es schon dreimal getan, vielleicht sogar viermal. In manchen Nächten sucht die Erinnerung daran mich heim, aber tagsüber kann ich vergessen. Doch von diesen Dingen wusste Elinor Marlyn natürlich nichts. Hier in Oxford konnte man Konvois in den Straßen beobachten und Flugzeuge am Himmel sehen, doch die tägliche Angst vor dem Tod gab es nicht. Sie existierte, und das wusste man auch, aber sie war nicht hier .
    Schließlich blinzelte sie doch. Vielleicht hatte sie in meinem Gesichtsausdruck ein wenig von dem gelesen, was in meinem Kopf vorging. Vielleicht auch nicht.
    Jedenfalls wusste ich, wie ich vorgehen musste. Beim Militär hatte man mir beigebracht, wie man Menschen tötet. Später im Gefangenenlager und danach, als ich mich allein in Italien durchschlug, lernte ich zu töten, ohne die Nachbarn aufzuwecken. Doch mit dir, Elinor, wollte ich etwas tun, was zu deinem Verbrechen passte.
    Ich hatte meine Vorbereitungen bereits getroffen, ehe ich an der Haustür klingelte. Alles stand für sie bereit.
    Als ich mich von meinem Stuhl erhob und mich hinter sie stellte, muss sie gewusst haben, was geschehen würde. Natürlich nicht im Detail, aber sie wusste es. Sie erkannte, dass sie es mit jemandem zu tun hatte, dessen Wille genauso stark war wie ihrer. Das stimmte zwar nicht in jeder Lebenslage, doch in diesem Fall stand mein Entschluss felsenfest.
    Sie schrie nicht. Sie zeigte Würde. Das muss ich ihr lassen.
    Ein kurzer, heftiger Druck auf die Halsschlagader. Nicht so fest, dass er sie umbrachte, und nicht so fest, dass er Spuren hinterließ, doch fest genug, dass sie das Bewusstsein verlor. Bis sie wieder zu sich kam, hatte ich sie geknebelt und war dabei, ihre Handgelenke zu fesseln. Als ich ihre Fußknöchel fesselte, trat sie nach mir und traf mich an der Wange, was mich in den folgende Tagen in eine gewisse Erklärungsnot brachte.
    Ich tat ihr nicht weh. Die Fesseln saßen nicht fest genug, um Spuren auf ihrer Haut zu hinterlassen. Ich wollte sie nicht leiden lassen, ich wollte nur, dass sie starb. Mir war klar, dass die Fesseln nicht lange halten würden, doch das brauchten sie auch nicht. Während der Arbeit konnte ich den Duft ihrer Seife riechen – Nelke mit einem leicht pfeffrigen Einschlag. Ein köstlicher Duft, den man seit Kriegsbeginn nicht mehr im Laden kaufen konnte. Wahrscheinlich hatte sie die Seife seit dieser Zeit verwahrt – sie ordentlich in Seidenpapier gewickelt hinten in ihrer Schublade gehortet, dachte ich. Vielleicht war sie auch ein Weihnachtsgeschenk eines ihrer Schwarzmarktfreunde gewesen. Dieser Duft jedoch – Nelken, Erdbeeren und ein Hauch Pfeffer – beschwört für mich noch heute ihr Gesicht herauf. Sie hätte Susie nichts davon geben sollen. Sie hätte wissen müssen, dass ich diesen Duft mein Leben lang erkennen und mit ihr in Verbindung bringen würde.
    Ich öffnete die Hintertür und das Tor zur Garage, wuchtete
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