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Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Hand aus und ließ das Tier sanft auf ihre Handfläche krabbeln. Seine Beine kitzelten ein wenig. Dann flog es davon. Seine Flügel schlugen so schnell, dass sie transparent zu werden schienen und den rötlichen Körper erkennen ließen. George, der nichts bemerkt hatte, sprach weiter davon, die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen, sich nur um die Gegenwart zu kümmern und daran zu denken, was sie beide verband. Er sprach hastiger. Doch durch die Geschwindigkeit wurden seine Worte so transparent wie die Flügel der Schildwanze, und Kate erkannte die Wahrheit dahinter.
     
    »Ich komme heim«, erklärte sie Roz eine halbe Stunde später am Telefon.
    »Na prima!«
    »Wir sind doch hoffentlich in der Lage, uns das Haus in der Agatha Street in aller Freundschaft zu teilen, oder?«
    »Das brauchen wir nicht, Kate. Wir würden uns sowieso innerhalb von ein bis zwei Wochen gnadenlos auf die Nerven gehen. Ich wollte dir eben erzählen, dass ich in spätestens einem Monat ausziehe.«
    »Wo willst du hin?«
    »Ich habe mir ein eigenes Haus gekauft.«
    »Wo denn?«
    »Im Osten von Oxford. Es liegt in einer der kleinen Straßen zwischen Iffley Road und Cowley Road.«
    »Die Häuser dort mögen vielleicht klein sein, aber sie kosten dennoch ein Vermögen! Woher hast du das Geld?«
    »Ich habe es nicht gestohlen, falls du so etwas befürchten solltest.«
    »Gut.«
    »Weißt du, ich habe mir mit deinem Computer etwas Gutes getan. Wusstest du, dass man im Internet mit Aktien handeln kann?«
    »Davon habe ich zwar gehört, aber ich habe es nie selbst versucht.«
    »Solltest du aber unbedingt tun. Es macht viel mehr Spaß als Pferdewetten.«
    »Und ist wesentlich teurer.«
    »Aber es ist ausgesprochen lukrativ, wenn du einmal durchgeblickt hast. Außerdem gibt es eine Menge sehr hilfreicher Webseiten, die einem sagen, wie man vorgehen sollte und an wen man sich wenden kann. Da konnte doch gar nichts schiefgehen!«
    »Na ja …«
    »Was machst du für komische Geräusche?«
    »Ich stöhne.«
    »Hör endlich auf, dir Sorgen zu machen, Kate. Mir geht es gut. Und so wird es auch bleiben. Soll ich dir beim Packen helfen? Nein? Komm, sobald du kannst. Am besten schon heute Nachmittag. Ich stelle uns eine Flasche Wein kalt.«
    »Hallo Emma!«
    »Bist du das, Kate?«
    »Ja. Ich wollte dir etwas über George und mich erzählen, ehe es jemand anders tut.«
    »Wollt ihr etwa heiraten?«
    »Nein, sondern …«
    »Da bin ich aber froh. Ich glaube, es wäre ein großer Fehler gewesen. Für euch beide.«
    »Findest du?«
    »Obwohl ihr natürlich in vieler Hinsicht ausgezeichnet zueinander passt.«
    »Natürlich.«
    »Aber sehr materialistisch bist du nicht eingestellt, nicht wahr?«
    »Ich dachte immer, das wäre einer meiner sympathischeren Charakterzüge.«
    »Kann schon sein. Aber die Dolbys stehen mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Sie glauben an Grundbesitz und Vermögensanlagen und solche Dinge. Irgendwann wären George deine Ansichten bestimmt auf die Nerven gegangen.«
    »Wahrscheinlich hast du Recht.«
    Kate war glücklich, dass sie sich von George hatte trennen können, ohne dass ihre Freundschaft mit Emma ernsthaften Schaden nahm. Mit ihren eigenen Gefühlen würde sie schon fertig werden. Im Augenblick hatte sie keine Lust, sie mit jemandem zu teilen.
    »Und wie sieht es bei dir und Sam aus? Alles in Ordnung?«
    »Aber natürlich! Wieso fragst du?«
    »Als ich euch das letzte Mal sah, hattet ihr eine kleine Auseinandersetzung. Es ging um Babys.«
    »Ach, das war doch nichts weiter! Wir haben einen Kompromiss geschlossen. In einer Ehe tut man so etwas, Kate. Wir werden noch ein Kind bekommen. Dann ist Schluss. Mit dieser Lösung sind wir beide zufrieden.«
    Wenn es allerdings wirklich so war, warum hatte Sam dann so verzweifelt ausgesehen, als Kate ihn an diesem Morgen den Headington Hill hatte hinunterradeln sehen?
    »Komm mich doch nächste Woche einmal in der Agatha Street besuchen«, schlug sie vor.
    »Macht es dir etwas aus, wenn ich den kleinen Jack mitbringe?«
    »Aber nein, natürlich nicht. Ich freue mich auf euch beide.«
    Die klebrigen Fingerspuren konnte sie schließlich mit einem feuchten Tuch wegwischen.
     
    Von Elspeth verabschiedete sich Kate persönlich. Es erschien ihr höflicher, als nur zu telefonieren.
    »Ich werde Sie vermissen«, sagte Elspeth. »Ich fand es nett, einfach ab und zu bei Ihnen vorbeizuschauen.« Sie trug ein butterblumengelbes T-Shirt zu mandarinenfarbenen Caprihosen.
    »Ich werde Sie auch
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